André Müller: Faszinierende Literatur in Interviewform

André Müller - Interviews

Von Mario Müller-Dofel

Dass Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek das Vorwort zu André Müllers Interviewband „Sie sind ja wirklich eine verdammte Krähe“ verfasst hat, lässt ahnen, dass das, was folgt, keine gewöhnlichen Interviews sind. Und ja, die in diesem Buch abgedruckten Gespräche und Begegnungen des Interviewers Andrè Müller († 2011) sind mitunter Psychodramen, die zwischen 1989 und 2010 in Zeitungen wie der Zeit, der Weltwoche und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen sind. André Müller befragte beispielsweise Pornostar Dolly Buster über Analverkehr, Schauspielerin Leni Riefenstahl über deren Zuneigung zu Adolf Hitler und Karl Lagerfeld über dessen Oberflächlichkeit. An Aktualität scheinen die Gespräche nichts eingebüßt zu haben.

15 Interviews und 6 (kurze) Beschreibungen von Begegnungen kann der Leser in diesem Buch genießen. Allesamt mit schillernden Persönlichkeiten – neben den oben genannten sind beispielsweise auch Toni Schumacher, Peter Handke, Salman Rushdi und Michel Houellebecq dabei. Die Texte von André Müller sind amüsant bis bedenklich und so beeindruckend, dass der Rezensent am liebsten dabei gewesen wäre. Müller „kroch“ ins Hirn seiner Gesprächspartner, sprach Tabu-Themen an und schaffte es immer wieder, dass sie sich um Kopf und Kragen redeten. Kein Wunder, dass mancher Befragter im Nachhinein die Interviewveröffentlichung verhindern oder mit juristischer Hilfe Aussagen zensieren wollten. André Müller war ein Meister des personalisierten Interviews, von dem andere Interviewer lernen können.

André Müller: Sie sind ja wirklich eine verdammte Krähe
2. Auflage, LangenMüller, 2011, 368 Seiten, 19,99 Euro