Interviewteams und ihre Schwächen

Ein oder kein Team, das ist hier die Frage!

Interviewteams gibt es häufig im journalistischen Alltag oder PR-Alltag. Das heißt, sie interviewen ihre Gesprächspartner häufig zu zweit, mitunter gar zu dritt oder viert. Wer sie fragt, warum sie als Duo oder im Rudel auftreten, hört häufig: „Mehrere Interviewer sind aufmerksamer und schlagfertiger als einer alleine.“ Das klingt wie ein Naturgesetz, ist aber keins.

Von Mario Müller-Dofel*

Tatsächlich sind Interviewteams ihrem Gesprächspartner oft unterlegen, weil sie Fehler in der Gesprächsvorbereitung und Interviewführung machen. Hier lesen Sie Schwächen von Interviewteams und ihre Nachteile:

Alle auf einen, jeder für sich

Schlimmstenfalls hat das Interviewteam keine gemeinsamen Interviewziele und somit auch keine einheitliche Gesprächsstrategie. Zwar hat sich vielleicht jeder Redakteur für sich vorbereitet. Doch als Team sind sie unorganisiert. Ein cleverer Gesprächspartner kann die Redakteure leicht auszuspielen, angenehme Fragen ausschweifend und unangenehme Fragen gar nicht beantworten. Denn dem Journalistenteam fehlt ein gemeinsamer Plan, wie es das verhindern könnte.

Halbe Sachen, nichts zu machen

Die Interviewteams haben zwar gemeinsame Ziele ausgeheckt, aber keine Strategie, wie sie die Ziele erreichen wollen. Auch das kommt clevere Gesprächspartner entgegen.

Schwachpunkt im Mittelpunkt

Das Interviewteam hat zwar gemeinsame Gesprächsziele sowie eine gemeinsame Strategie entwickelt. Aber die einzelnen Journalisten haben sehr unterschiedliche Kenntnisstände über die Interviewthemen und den Interviewpartner. Mögliche Folge: Offenbart ein Teammitglied relevante Wissenslücken, könnte der Interviewte versuchen, hauptsächlich mit dem „Schwachpunkt“ des Interviewteams zu kommunizieren. Dadurch würde der Rest des Teams „ins Abseits“ geraten.

Degradieren statt harmonieren

Der ranghöchste Redakteur im Interviewteam will sich als Chef profilieren (und ist womöglich sogar schlechter vorbereitet als die Kollegen). Im Interviewverlauf reißt er die Rolle des Fragenden an sich, um sich zu profilieren. Dadurch degradiert er die anderen Interviewer zu Statisten. Der Gesprächspartner findet den Chefmacher lächerlich, verliert aber auch den Respekt vor den anderen Journalisten, weil die offensichtlich nicht mal vom „Chef“ ernst genommen werden. Natürlich schwächt auch eine solche Selbstprofilierung Interviewteams.

Konkurrieren statt harmonieren

Die Journalisten konkurrieren um die meisten und „klügsten“ Fragen. Sie konzentrieren sich mehr auf ihr „Standing“ als auf den Interviewten, der sie dadurch auch wieder leicht gegeneinander ausspielen kann.

Entscheidend für die Qualität von Interviewteams ist weniger die Anzahl der Journlisten, sondern deren Qualität. Und diese hängt stark am Kommunikationsgeschick und an der Rollendisziplin. Je größer ein Interviewteam ist, desto komplizierter wird es – meist unnötigerweise.

Interviewteams - Interviewstrategie
Interviewkonzept: Darüber sind Interviewteams nicht immer einer Meinung (Foto: narstudio/Fotolia.com)

Wissen, Gespür und Selbstkontrolle

Welche Rolle welcher Journalist in Interviewteams spielt (good guy – bad guy etc.), sollte sich einzig danach richten, wie ein Team das Bestmögliche aus dem Gesprächspartner „herausholen“ kann. Und: Jeder beteiligte Journalist muss seine Rolle das gesamte Interview hindurch diszipliniert durchhalten. Wenn das nicht gewährleistet ist, sollte besser ein guter Interviewer alleine das Gespräch führen.

Interviewer, die ihre Rollen gekonnt spielen wollen, müssen

  • über umfangreiches Wissen zu den Interviewthemen verfügen.
  • ein sehr gutes Gespür für das Verhalten anderer Menschen haben.
  • talentierte Schauspieler sein.
  • ihre Emotionen kontrollieren können.
  • sich auch in kritischen Situationen zurücknehmen können.
  • Mut zur kontrollierten Konfrontation (zum richtigen Zeitpunkt) haben.

* Mario Müller-Dofel ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.