Reporter Forum vergibt Preis für „Bestes Interview“

Countdown für den Reporterpreis

Das Reporter Forum verleiht am 1. Dezember 2014 zum sechsten Mal den Deutschen Reporterpreis – unter anderem in der Kategorie „Bestes Interview“. Die Namen der Nominierten werden am 3. November veröffentlicht. Im vergangenen Jahr gewannen Benjamin von Stuckrad-Barre und Hajo Schumacher für „Ohne unsere Frauen wären wir jetzt tot“, erschienen in der Welt am Sonntag. Sie befragten den Theaterregisseur Jürgen Flimm und den CDU-Politiker und General a. D. Jörg Schönbohm über deren kürzlich erlittene Schlaganfälle.

Von Mario Müller-Dofel*, im September 2014

Reporter Forum - Christian Thiele
Interviewpreis vom Reporter Forum: Eine Chance für Interviewer (Foto: Stauke/Fotolia.com)

Ein Kenner des Preises ist Jurymitglied Christian Thiele. Der freie Journalist, Dozent, Coach und Interviewbuch-Autor hat uns Fragen zum Interviewpreis des Reporter Forum (aus organisatorischen Gründen schriftlich) beantwortet.

 

 „Interviewern fehlt es an Standing“

 

Mario Müller-Dofel: Christian, warum braucht es einen Preis für das beste Interview, verliehen vom Reporter Forum?

Christian Thiele: Es gibt ungefähr siebenhundert Fantastilliarden Journalistenpreise in Deutschland: für die beste Reportage über den Weinanbau in Mittelfranken, für den besten Kommentar über die Krankenhausreform in der Niederlausitz, für die investigativste Rechercheleistung von unterdreißigjährigen Linkshändern in Ostwestfalen – aber keinen einzigen Interviewpreis. Außer eben dem Reporterpreis. Insofern wurde es höchste Zeit.

Wer gehört zur Jury?

In der Vorjury, die die Knochenarbeit macht und in allen Kategorien des Reporterpreises insgesamt tausende von Texten liest und bewertet, sind 65 mittelbekannte Journalisten. In der Endjury, die dann aus der Shortlist die Gewinner aussucht, sind sehr bekannte Journalisten und prominente Nicht-Journalisten. Wie immer… Ich gehöre zu ersterer. Wie sich die Jurys genau zusammensetzen, das ändert sich jedes Jahr, die Aufstellung erfahren wir alle erst bei Anpfiff.

Was treibst Du bei der Preisverleihung?

Da esse, trinke, daumendrücke, lästere und tröste ich üblicherweise.

Welche Interviews top und welche ermüdend sind, ist häufig Geschmackssache. Wie entscheidet die Jury darüber?

Die Jury entscheidet unabhängig, fair und ohne Ansehen der Person. Nein, es stimmt schon, über einen Text redet man nicht wie über Zylinderkopfschrauben, wo man die Abweichung zur DIN-Norm in Millimetern messen kann. Was ein gutes Interview ausmacht, sieht der eine so und die andere so. Lustigerweise sind wir uns aber meistens dann doch bei einem Großteil der Texte schnell einig – und bei den verbleibenden streitet man dann eben über die Kriterien, die jeder so anlegt. Das ist eigentlich immer der interessanteste Teil, finde ich. Denn in unserem Beruf arbeiten ja eigentlich sehr viele sehr gescheite Leute – aber weil zu viele Leute zu wenig Zeit haben, diskutiert man viel zu selten über das, was gute Texte ausmacht.

Wie viele eingereichte Interviews habt Ihr 2013 gelesen?

Die Vorjury ist in zwei Gruppen eingeteilt, ich habe letztes Jahr in meiner Gruppe 44 Texte gelesen und dann noch mal die nominierten Interviews der anderen Gruppe – also knapp 50.

Nicht mauern jetzt: Wie viele hast Du als schwach empfunden?

Pi mal Daumen würde ich sagen: Die Hälfte der Texte kam für mich überhaupt nicht in Frage. Ein Viertel fand ich so lala. Und ein Viertel habe ich mit Freude gelesen.

Was sind Deiner Meinung nach die häufigsten Mängel in Interviews?

Zu wenig Vorbereitung auf den Interviewpartner. Zu softe Kuschelfragerei. Und zu wenig sprachliche Sorgfalt, um aus dem Text einen wirklich eigenen Text zu machen, der das Gegenüber einfängt nicht nur in dem, was es sagt, sondern auch wie sie oder er antwortet.

Warum sind diese Mängel so verbreitet?

Tja, warum ist das so? Viele Leute, die Interviews führen oder in Auftrag geben, halten diese Gattung für Discounter-Journalismus, so à la: „Dann soll doch der Praktikant mal eben das Interview machen.“ Dass ein gutes Interview – häufig – nicht weniger Zeit, Energie, Aufwand kostet als eine gute Reportage, das wissen die einfach nicht. Es gibt ja auch kein einziges Interviewressort in Deutschland – und eben nur einen einzigen Interviewpreis. Dieser Textform – und Interviewern, die sie mit Leidenschaft pflegen – fehlt es an Standing.

Wird die Interviewqualität auch vom Sparzwang der Redaktionen beeinflusst?

Die Verhältnisse im Journalismus sind heute eben so wie sie sind: Kleinere Redaktionen, kleinere Honorartöpfe für die Freien, jeder soll möglichst nicht mehr nur schreiben, sondern gleichzeitig Content filmen, tweeten, sharen. Mir scheint es so, als ob die Bedingungen für die Entstehung von Texten jeder Gattung schwieriger werden.

Und was gewinnt der Interviewer/die Interviewerin, der/die es trotzdem klasse macht und den Reporterpreis abräumt?

Meines Wissens nach die Unsterblichkeit. Und, für den Fall, dass das nicht klappt, ein paar Euro.

Danke!

* Mario Müller-Dofel ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.