kurz & knackig: Interviews führen wie Uli Kreikebaum, Kölner Stadt-Anzeiger

“Für mich ist Ruhe das beste Warm up”

Uli Kreikebaum ist Journalist beim Kölner Stadt-Anzeiger, veröffentlicht aber auch in Medien wie DIE ZEIT und Galore. Der Diplom-Sportwissenschaftler ist bereits mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet worden, etwa mit dem AWO-Journalistenpreis und dem DuMont Journalistenpreis. Hier beantwortet er Fragen übers Interviews führen.

Im Mai 2017

Interviews führen, Fragetechnik, Autorisierung
Uli Kreikebaum: “Das Gespräch war mies, aber ich fand es toll.” (Foto: Privat)

Alles über Interviews: Herr Kreikebaum, was reizt Sie daran, Interviews zu führen?

Uli Kreikebaum: Ich lerne Menschen kennen – und bestenfalls auch mich selbst etwas besser. Der Horizont öffnet sich und man vergisst eigene Sorgen

An welches Ihrer Interviews denken Sie am liebsten zurück?

Kurt Groenewold war RAF-Anwalt und vertrat den Fälscher Konrad Kujau. Er galt als schwierig. Ich war unerfahren, hatte viel über ihn gelesen, das Gespräch für Galore gelang. Es folgte ein Briefwechsel. Groenewold pflegt so Kontakte – sehr sympathisch.

Welches Interview haben Sie mal richtig versemmelt?

Als ich mit Anfang 20 Jan Ullrich für den Express interviewte, war ich so nervös, dass ich froh war, lobhudelnde Fragen rauszukriegen. Das Gespräch war mies, aber ich fand es toll. Man versemmelt ständig Gespräche, weil man zu wenig rausbekommt.

Wann finden Sie Interviews schlecht?

Wenn nur Plattitüden abgefragt werden, der Interviewer weder Nähe herstellt noch Distanz erkennen lässt.

Was ist für Sie das Wichtigste bei der Interviewvorbereitung?

Viel über den Gesprächspartner wissen. Tageszeitungsjournalisten haben nicht so viel Zeit wie etwa Sven Michaelsen. Umso wichtiger: sich auf Themen konzentrieren wie Angst, Mut, Scheitern, Liebe – am besten etwas, das dich selbst berührt.

Haben Sie einen Tipp fürs Warm up vor dem Interview?

Für mich ist das Ruhe. Bis 18 Uhr Produktion in der Redaktion und dann einen Schriftsteller interviewen, das geht nicht. Ich erinnere mich daran, was mich an meinem Gesprächspartner interessiert, und warum er/sie mich interessiert.

Worauf kommt es beim Interviews führen besonders an?

Interviewte nicht langweilen, sie herausfordern, dass sie sich auf ein Gespräch, ein Spiel, einlassen. Hat die Reporter-Legende Georg-Stefan Troller so ähnlich gesagt. Troller hat die Interviewten zu Akteuren seines inneren Theaters gemacht.

Welches Interviewformat in Deutschland gefällt Ihnen am besten?

Die 100 Fragen von Moritz von Uslar sind toll, aber keine Gespräche. Interessant finde ich es, wenn das SZ-Magazin Leute aus Wien oder Tel Aviv in ein Restaurant einlädt. Viele kreative Formate kenne ich nicht – aber einige gute Fragensteller.

Wen würden Sie gerne einmal interviewen?

Ich hätte mich gern mit meinem Lieblingsschriftsteller, dem Schweizer Markus Werner, über seine lakonische Sprache, seine scheiternden und irgendwie hoffenden Helden und ihn selbst unterhalten, aber der ist leider schon tot.

Gehört die Interviewtext-Autorisierung abgeschafft, wie es viele Journalisten fordern?

Eher nicht. Sie schafft Vertrauen. Es gibt ein paar eitle und vermeintlich mächtige Menschen, die das Gespräch quasi neu schreiben wollen, das frustriert natürlich, und manchmal muss man dann sagen: so nicht. Sie spielen darauf an, dass manche Pressesprecher angeblich Interviews „umschreiben“. Das entspricht nicht meinen Erfahrungen. Ich verstehe Autorisierung als kollegiale Möglichkeit, Fehler und Ungenauigkeiten auszuräumen. Das sollte man beibehalten.

Sie dürfen der Pressesprecherzunft jetzt bis zu drei Fragen zum Thema Interview stellen.

Ich würde Steffen Seibert andere Fragen stellen als dem Pressesprecher von Rheinmetall oder dem von Greenpeace, daher sind Fragen sowieso nicht gut … Aber okay: Lügenpresse – Was verbinden Sie mit dem Begriff? Und was dachten Sie über darüber, als Sie selbst noch ein Teil der Presse waren?

Vielen Dank!

Uli Kreikebaum, Jahrgang 1974, ist Journalist aus Hoffnungsthal nahe Köln. Er arbeitet für den Kölner Stadt-Anzeiger, veröffentlicht darüber hinaus in einer Vielzahl von Publikationen wie Die Zeit, Galore, Chrismon, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau und weitere. Kreikebaum studierte an der Deutschen Sporthochschule in Köln und arbeitete zunächst als fester Freier beim Express und danach bei Sat 1, ehe er bei der Passauer Neuen Presse volontierte.

kurz & knackig Für die „Alles über Interviews“ – Serie beantworten Journalisten, Blogger, Volontäre, Studenten, Interviewte und Kommunikationsverantwortliche von Unternehmen und anderen Organisationen in loser Folge einen Fragebogen zum Thema Interview. Die elf Antworten sollen jeweils höchstens 250 Zeichen lang sein.