Der erste Schritt zum Gesprächserfolg
Eine transparent gestaltete Interviewanfrage ist fair und clever, weil sie Vertrauen beim Gesprächspartner erzeugt
Die Interviewvorbereitung beginnt schon hier!
Ein Interview gelingt nur bestmöglich, wenn die thematische, emotionale und organisatorische Vorbereitung des Gesprächspartners gelingt. Und der erste Akt der Vorbereitung ist die Gesprächsanfrage. Sie ist Ihr erstes Mittel, um Ihren Wunschgesprächspartner von Ihnen und den Rahmenbedingungen, unter denen er sich Ihnen hingeben soll, zu überzeugen. Allerdings wird er sich Ihnen nur hingeben, wenn er Ihnen vertraut. Dennoch verschludern viele Journalisten den Auftakt in den Interviewprozess.
Die häufigsten Fehler bei Interviewanfragen
Fehlende Informationen und vernachlässigte Adressaten verunsichern Interviewpartner
Den gewünschten Interviewpartner im Unklaren lassen
In Interviewanfragen fehlen immer wieder essentielle Informationen wie Gesprächsanlass, Terminvorschläge, Zeitbedarf, Veröffentlichungszeitpunkt des Interviews und andere Details. Damit vernachlässigen Journalisten das Transparenzbedürfnis des Angefragten. Je mehr Details aber in der Interviewanfrage offen bleiben, desto unwissender entscheidet der Wunschgesprächspartner über eine Zu- oder Absage. Das Dumme daran: Unwissenheit verunsichert – und Verunsicherung kostet Vertrauen.
Den Pressesprecher des Wunschgesprächspartners ignorieren
Wenn Sie sich mit der Gesprächsanfrage direkt an Ihren Wunschinterviewpartner wenden, obwohl er einen Pressesprecher als ersten Ansprechpartner für Journalisten hat, fühlt der Pressesprecher vielleicht von Ihnen übergangen. Dann kann das Interview schon gelaufen sein, ehe Sie es führen konnten. Denn mancher Pressesprecher verweigert Ihnen den Gesprächstermin im Gegenzug womöglich. Und wenn das passiert, dann meist unter einem Vorwand.
Tipps für eine gewinnende Interviewanfrage
Recherchieren Sie den richtigen Wunschgesprächspartner und versetzen Sie sich in ihn hinein. Er wird es Ihnen danken
Finden Sie den richtigen Interviewpartner für Ihre Fragen
Recherchieren Sie genau, ob der gewünschte Gesprächspartner wirklich der richtige für Ihre geplanten Themen ist. Sollten Sie völlig daneben liegen, glaubt der Adressat womöglich, dass Sie die Interviewpartnersuche nur oberflächlich betrieben haben oder vom Thema keine Ahnung haben. Und werden Sie als oberflächlich und schludrig wahrgenommen, bestätigen Sie ein weit verbreitetes Vorurteil über Journalisten, statt diesem Vorurteil („Oberflächlich!“) mit einer besonderen Professionalität entgegenzutreten.
Fragen Sie im Zweifel nach alternativen Interviewpartnern
Wenn Sie unsicher sind, ob der Angefragte ein geeigneter Gesprächspartner ist, oder wenn er absagt, fragen Sie, ob er einen passenden Interviewpartner kennt, den er empfehlen kann. In der Anfrage an den empfohlenen Adressaten beziehen Sie sich auf den Empfehlungsgeber. Denn wer von einem Bekannten empfohlen wurde, sagt ungern Nein.Das wurde – in anderen Zusammenhängen – wissenschaftlich nachgewiesen.
Lassen Sie den Pressesprecher von Ihrer Anfrage wissen
Vielleicht wollen Sie Ihren Wunschgesprächspartner direkt kontaktieren, obwohl Interviewanfragen an ihn zunächst ein Pressesprecher abfangen soll. Dann fragen Sie per E-Mail an und setzen Sie den Pressesprecher „in Kopie“. So bekommt sein Chef die Anfrage direkt, aber der Pressesprecher kann Ihnen nicht vorwerfen, Sie hätten ihn übergangen.
Übermitteln Sie Ihre Interviewanfrage per E-Mail
Wenn es Ihre Zeit erlaubt, versenden Sie E-Mail-Anfragen. Die Vorteile: Eine schriftliche Interviewanfrage ist formeller und wertschätzender als ein kalter Telefonanruf. Zudem können Sie die Interviewanfrage überlegt und überzeugend ausformulieren. Und der Empfänger kann sich in Ruhe mit ihr befassen, um dann eine Antwort zu geben, die er später nicht bereut.
Informieren Sie Interviewpartner wertschätzend und umfassend
Formulieren Sie Ihre Interviewanfragen betont höflich, verbindlich, unmissverständlich und transparent. Transparenz bedeutet, dass alle für den Adressaten wichtigen Informationen in der Anfrage enthalten sein stehen müssen, zudem der Nutzen des Interviews für den Wunschgesprächspartner und eine vorteilhafte Selbstvorstellung (PR in eigener Sache machen!). Versetzen Sie sich in Ihren Wunschinterviewpartner hinein. Oder, um in der Journalistensprache zu bleiben: Holen Sie ihn ab.
Der Schriftsteller Francois de La Rochefoucauld sagte:
„Vertrauen gibt dem Gespräch mehr Stoff als Geist.“ Gute Interviewer kennen das. Aber ob ein Mensch einem anderen vertraut, entscheidet sich meist schon beim ersten Kontakt. Denken Sie also an den HALO-Effekt, der belegt: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.
Beispiel für eine gelungene Interviewanfrage
Nach dem unten als PDF hinterlegten Muster verschickt der Interviewer Mario Müller-Dofel seit Jahren E-Mail-Anfragen zum Beispiel an Unternehmenschefs. Zusagen bekommt er fast immer ohne Rückfragen. Das bedeutet: In der Anfrage waren alle Informationen enthalten, die der Interviewpartner und seine Pressestelle brauchten, um einem Gespräch zuzusagen. Der Interviewer hat also Vertrauen erzeugt.
Die Interviewanfrage ging an Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer der Borussia Dortmund GmbH & Co. KG. Das Interview wurde auf fünf Seiten im monatlich erscheinenden Wirtschaftsmagazin €uro, Ausgabe 10/2013, veröffentlicht.
Autor: Mario Müller-Dofel, Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“