Interview heimlich aufnehmen? Irion ist irritiert

Medienrechtlerin Tanja Irion klärt auf.

Theoretisch droht gar Knast

Darf ein Journalist ein Interview heimlich aufnehmen? Diese Frage stellte uns kürzlich ein Interviewter, der diese Erfahrung gemacht hat. Die renommierte Medienrechtlerin Tanja Irion antwortet. Und siehe da: eine happige Geldstrafe wäre realistisch.

Im Juni 2017

Der Hintergrund: Ein Journalist hatte jemanden interviewt, um ihn später zu zitieren. Eines der Zitate, das der Interviewte vom Journalisten zur Autorisierung vorgelegt bekam, hatte der Interviewte so nicht gesagt. Der Journalist widersprach – und sagte, dass er dem Informanten das Interview ja vorspielen könne. Wie das? Er hatte es heimlich mitgeschnitten.

Ob der Informant das Zitat tatsächlich so gesagt hat, wie der Journalist es zitieren wollte, wissen wir nicht. Dies ist hier auch nicht wichtig. Was uns – und den Informanten – viel mehr interessiert: Durfte der Journalist das Interview heimlich aufnehmen?

Frau Irion ist irritiert

Die renommierte Medienrechtlerin Tanja Irion bekommt diese Frage immer wieder von Mandanten gestellt. Und was antwortet sie dann?

Frau Irion, klären Sie doch mal auf: Darf ein Journalist ein Interview heimlich aufnehmen oder nicht?

Dazu schreibt Tanja Irion:

„Grundsätzlich gilt: Wer sein Einverständnis zum Mitschnitt eines Interviews nicht erklärt hat oder verweigert, darf nicht durch eine heimliche Aufnahme übergangen werden. Ein Journalist, der den Wortlaut eines Interviews dennoch verdeckt aufzeichnet, macht sich unter Umständen strafbar.

 

„Es drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.“

 

§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmt insoweit, dass, wer unbefugt „das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt“, mit „Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe“ bestraft wird. Darüber hinaus kommen auch zivilrechtliche Ansprüche des Interviewten in Betracht.

Man muss die Frage des heimlichen Mitschnitts vor dem Hintergrund des sogenannten Rechts am gesprochenen Wort betrachten. Als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird es in Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG von der Verfassung garantiert. Sein Schutz umfasst das Recht jedes Menschen, selbst darüber zu entscheiden, wen seine Worte erreichen sollen. Darunter fällt auch die Befugnis, frei über die etwaige Aufzeichnung eines Gesprächs zu bestimmen. Im Kern geht es also darum, denjenigen, der sich äußert, in seiner Selbstbestimmung zu schützen.

 

„Der Interviewer muss das Einverständnis seines Gesprächspartners beweisen können.“

 

Voraussetzung für einen Mitschnitt ist daher, dass der Interviewte in die Aufnahme des Gesprächs einwilligt. Eine Autorisierung des Mitschnitts kann in unterschiedlichen Formen erfolgen. Wichtig für den Interviewer ist jedenfalls, dass er das Einverständnis seines Gesprächspartners hinsichtlich der Aufnahme beweisen kann, falls es im Nachhinein zum Streit diesbezüglich kommen sollte. Es ist daher zu empfehlen, die Aufzeichnung mit der ausdrücklichen Zustimmung des Interviewten zu beginnen.

Interview heimlich aufnehmen - Tanja Irion
Medienrechtlerin Tanja Irion: “Die bloße Aufnahme ist schon eine Rechtsverletzung.” (Foto: Privat)

Für manch einen mag es verlockend erscheinen, sich „für den Fall der Fälle“ entgegen der Absprache mit einem heimlichen Mitschnitt abzusichern. Schließlich ist, aus Journalisten-Sicht, der Wortlaut immer noch am verlässlichsten, und beim Mitschreiben passieren schon allein aufgrund des Redetempos in einem Gespräch nur allzu schnell Fehler. Jedoch sollte dieser Versuchung in Anbetracht der möglichen rechtlichen Konsequenzen nicht nachgegeben werden: Zum einen ordnet § 201 Abs.1 Nr. 1 StGB die Strafbarkeit einer unbefugten Aufnahme an.

 

„Das Ausmaß der Vertraulichkeit ist für das Strafmaß mitentscheidend.“

 

Bemerkenswert ist dabei, dass die Rechtsverletzung schon in der „bloßen“ Aufnahme liegt. Das heißt, eine Veröffentlichung oder ähnliches muss gar nicht geplant sein oder gar erfolgen – schon die Tatsache, dass der Gesprächspartner ohne oder gegen seinen Willen aufgezeichnet wird, erfüllt den Tatbestand.

Die Dauer eines möglichen Freiheitsentzugs kann dann, je nach den Umständen, einen Monat bis hin zu drei Jahre betragen. Bei der Strafzumessung im konkreten Fall wird unter anderem berücksichtigt, von was für einem Ausmaß der Vertraulichkeit der sich Äußernde ausgehen durfte. Zum anderen können auf Journalisten, die ein Interview heimlich aufnehmen, zivilrechtliche Folgen zukommen. Die Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort kann einen Unterlassungsanspruch sowie, in gravierenden Fällen, einen Schadensersatzanspruch auslösen. Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist eine Wiederholungsgefahr.

 

„Ein Beispiel sind die Veröffentlichungen von vertraulichen Äußerungen Helmut Kohls.“

 

Unter Umständen kann der Interviewte außerdem, über das Unterlassen hinaus, einen Anspruch auf Vernichtung der Aufnahmen haben. Das Bestehen und die Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruches schließlich hängen jeweils vom Einzelfall ab.

Als – wenn auch herausragendes – Beispiel mag das kürzlich ergangene, noch nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Köln im Fall der berühmten „Kohl-Protokolle“ dienen: Wegen der schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Altkanzlers durch die Veröffentlichung vertraulicher Äußerungen durch die Autoren Schwan und Jens sprach das Gericht Kohl eine Entschädigung in Höhe von einer Million Euro zu. Dabei handelt es sich zwar um eine außergewöhnlich hohe Summe, mit der in „alltäglichen“ Fällen in aller Regel nicht zu rechnen ist. Selbst die zuvor als „Rekord“ geltenden Entschädigungen in Höhe von etwa 400.000 Euro, die in anderen Fällen festgesetzt wurden, zählen nicht zum Alltag. Doch anhand solcher und ähnlicher Entscheidungen wird deutlich, welch hohe Bedeutung dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und seinen Ausprägungen von deutschen Gerichten beigemessen wird.

Wie in so vielen anderen Bereichen des Lebens und des Rechts gilt im Ergebnis auch bei Mitschnitten von Interviews: Wer sein Einverständnis bewusst nicht erklärt, muss grundsätzlich darauf vertrauen können, dass sein Gegenüber dies respektiert und nicht zu umgehen versucht. Dies hat gerade in einem derart persönlichen Bereich wie dem des gesprochenen Wortes umso mehr zu gelten.“

Tanja Irion, geboren 1967, ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht in eigener Kanzlei in Hamburg. Sie studierte Rechtswissenschaft in Hamburg. Danach war sie Referentin beim Landesbeauftragten für den Datenschutz in Mecklenburg-Vorpommern und Rechtsreferendarin in Schleswig Holstein. Fünf Jahre lang amtierte sie als Bundesvorsitzende des Forums Junge Anwaltschaft (DAV). Ihre Kanzlei in Hamburg gründete sie im Jahr 2000.

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