Interviews veröffentlichen

Kennen Sie das? Sie haben Ihr Interview mit 3000 Textzeichen zur Autorisierung an den Interviewten geschickt, der schickt es mit 2700 oder 3400 Zeichen zurück, der Text passt nicht mehr ins Layout und Sie fragen sich: Darf ich die autorisierte Fassung jetzt ändern? Sie dürfen. Sie müssen! Worauf Sie als letzten Schritt achten sollten, bevor Sie Interviews veröffentlichen

Interviewtexte anpassen nach der Autorisierung

Die folgenden Tipps werden Interviewte kaum gutheißen. Doch in der Regel funktionieren sie, ohne dass Journalisten Ärger bekommen. Wenn ein Interview nach Textänderungen durch den Befragten zu kurz oder zu lang für das ursprünglich geplante Zeitungs- oder Magazinlayout geworden ist, kann der Journalist bestimmte Layoutelemente – Bilder, Kästen, Weißraum usw. – verändern, damit der Text passt. Sollte das nicht möglich sein oder trotz Layoutänderungen ein Unter- oder Übersatz bleiben, sind andere Maßnahmen nötig:

Fragen längen oder kürzen

Nach Interviewautorisierungen und bevor Sie die autorisierten Interviews veröffentlichen, können Sie Zeilen „auffüllen“, indem Sie Ihre Interviewfragen etwas länger formulieren. Oft genügen zwei, drei zusätzliche Wörter in einer Frage für einen Zeilenumbruch. Dasselbe gilt anders herum: Wenn Sie zum Beispiel kürzere Synonyme für austauschbare Wörter in den Interviewfragen nutzen, „sparen“ Sie schnell einige Zeilen.

Antworten längen oder kürzen

Wenn Sie in den Antworten bestimmte Wörter durch längere Synonyme ersetzen, „gewinnen“ Sie fix ein paar Zeilen. Aber Vorsicht: Ihre Änderungen dürfen keinesfalls die autorisierten Antworten verfälschen. Dasselbe gilt natürlich für Kürzungen. Wollen Sie in den Antworten kürzen, können Sie beispielsweise einige Redundanzen und überflüssigen Adjektive streichen, die vom Interviewten in den Text geschrieben wurden (passiert häufig). Ob etwa eine Strategie „umgesetzt“ oder „konsequent umgesetzt“ wurde, ist sogar für pingelige Interviewpartner letztlich dasselbe. Wenn Sie solche Kleinigkeiten ändern, ohne die Interviewpartner davon zu informieren, können Sie Ihr beruhigt Ihre Interviews veröffentlichen.

Lange Antworten durch zusätzliche Fragen teilen

Wenn Sie den Interviewtext noch mehr längen müssen, suchen Sie sich eine relativ lange Antwort und teilen Sie sie mit einer zusätzlichen Frage. Das heißt, Sie erfinden eine Frage, die zum ersten Antwortteil passt und zum zweiten Antwortteil hinführt. Allein durch diese Maßnahme wird ein Text in der Regel um mehrere Zeilen länger, ohne dass Sie den Wortlaut der autorisierten Antwort verändert haben, bevor Sie das Interview veröffentlichen.

Frage-Antwort-Passage(n) streichen

Sollten Sie es nicht schaffen, einen in der Autorisierung zu lang geratenen Interviewtext durch die oben beschriebenen „kosmetischen Eingriffe“ auf die erforderliche Kürze zu bringen, können Sie eine oder mehrere Frage-Antwort-Passage(n) streichen. Stellen Sie aber sicher, dass durch die Löschung kein inhaltlicher Bruch in Ihren Texten entsteht und sie sich weiterhin flüssig lesen, bevor Sie Ihre Interviews veröffentlichen.

Keine Sorge!

Wenn Sie Änderungen am Interviewtext nach der Autorisierung mit Feingefühl vornehmen, also nah am Duktus des Interviewten bleiben und inhaltliche Fehler vermeiden, werden die Interviewten und deren Pressesprecher kaum etwas von den Änderungen merken. Und wenn sie ihnen doch auffallen, akzeptieren sie die fehlerfreie journalistische Nacharbeit in aller Regel.

Wachsam bleiben bis zum Druck

Nachdem Sie Ihr Interview so ins Redaktionssystem gestellt haben, wie Sie es gedruckt sehen möchten, wird es vielleicht nochmals geändert. Warum Sie wachsam bleiben sollten

Täuschung durch übertriebene Zuspitzungen

Wahrscheinlich lesen der Ressortleiter, der Textchef und der Chefredakteur das Interview als nächstes. Vielleicht fokussieren sie sich nur auf die Headline sowie herausgestellte Zitate und Bildunterschriften – also auf jene Textelemente, die die Leser neugierig machen sollen. Achten Sie bevor Sie Interviews veröffentlichen darauf, dass insbesondere die Headline nach den üblichen Zuspitzungen noch repräsentativ für den Großteil des Interviewinhalts ist. Ansonsten könnten sich (zur Recht) Leser und Interviewte getäuscht fühlen. Schlechter Stil wäre auch eine reißerische Headline, mit der eine Aussage des Interviewten lediglich zur Effekthascherei verändert statt wortgetreu zitiert würde.

Fehler durch schlechte Redigierqualität

Mitunter verändern der Ressortleiter, der Textchef oder der Chefredakteur auch Antwortsätze des Interviewten. Das kann zwar berechtigt sein, beispielsweise wenn sie unverständlich sind . Wenn die Chefs allerdings Zahlendreher oder Schreibfehler in die Antworten redigieren, bevor sie Interviews veröffentlichen, oder gar Zusammenhänge verfälschen, könnte es heftigen Ärger mit dem Interviewten geben. Und dabei steht Ihre Reputation als Interviewer auf dem Spiel. Verfolgen Sie deshalb Ihren Text bis zum Druck, um Fehler entdecken und korrigieren zu können.

Fehler durch späte Layoutänderungen

Mitunter werden kurz vor dem Versand von Zeitungs- bzw. Magazinseiten an die Druckerei noch Layouts geändert. Manchmal verrutschen dann Textbeine, so dass es zu Unter- oder Übersätzen kommt. Insbesondere Übersätze sind ärgerlich, wenn sie in der Redaktionsschlusshektik übersehen werden. Dann endet das Interview womöglich mitten in der letzten Antwort. So fehlerhaft sollten Sie eigentlich kein Interview veröffentlichen.

Zu guter Letzt

Wenn das Interview endlich veröffentlicht ist, senden Sie dem Interviewpartner möglichst zeitnah ein Belegexemplar der Zeitung/des Magazins per Post oder mailen Sie ihm das Interview als PDF. Die Sendung garniert mit ein paar persönlichen Dankesworten hinterlässt einen guten Eindruck, der Ihnen vielleicht noch nützen wird. So macht Interviews veröffentlichen Spaß 🙂

Der Journalistenausbilder Wolf Schneider sagte:

“Qualität kommt von Qual.“ Dass Schneiders legendärer Satz auch für Interviewtexte gilt, versteht sich von selbst.

 

Autor: Mario Müller-Dofel, Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“