Warm up fürs Gespräch
Dem Gesprächspartner die Bühne überlassen
Interviewpartner brauchen insbesondere anfangs Zeit, um sich darzustellen und den Interviewer „abzuchecken“
Befriedigen Sie die zwei Bedürfnisse Ihres Gegenübers
Der deutsche Theologe, Philosoph und Dialektiktrainer Rupert Lay sagte: „Man darf die Kommunikation nicht auf das Informative beschränken, weil dann das Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Kontaktvergewisserung des Gesprächspartners kontraproduktiv ignoriert wird.“ Für Interviewer bedeutet das: Nehmen Sie sich zurück, damit Ihr Gesprächspartner sich darstellen kann. Geben Sie ihm eine Bühne für das Warm up zum Frage-Antwort-Spiel und schauen Sie ihm wohlwollend zu – egal ob er Ihnen sympathisch ist oder nicht.
Die Königsdisziplin versemmeln
Sich und die eigenen Werturteile zurück zu drängen, ist oft schwierig. Sechs Beispiele, wie sich das bei Interviewern äußert
Der Interviewer lässt sich negative Vorurteile anmerken
Er begegnet dem Interviewpartner mit negativen (Vor)Urteilen, die sich in ablehnenden Worten und einer negativen Mimik und Gestik äußern. Da sich Gesprächspartner aufgrund bestimmter Nervenzellen im Gehirn (Spiegelneuronen) häufig in Bezug auf ihr Verhalten spiegeln, wird auch der Interviewpartner negativ.
Der Interviewer redet zu viel und über falsche Themen
Der Interviewer redet im Warm up weit mehr als sein Gesprächspartner oder spricht unsensibel Themen an, die beim Gesprächspartner negative Gefühle hervorrufen. Beides schürt be diesem Unwohlsein und Antipathien – eine schlechte Voraussetzung für die folgende Frage-Antwort-Situation.
Der Interviewer übersieht Störsignale
Der Interviewer übersieht bereits im Warm up verbale und nonverbale Stimmungssignale seines Gegenübers, weil sie ihn nicht interessieren oder er solche Signale nicht kennt. Dadurch wiederum übersieht er Kommunikationsstörungen, die der Gesprächsatmosphäre schaden.
Der Interviewer hält ein Warm up für überflüssig
Der Interviewer verzichtet auf ein Warm up, übergeht das Selbstdarstellungsbedürfnis seines Gesprächspartners und kommt nach der Begrüßung sofort auf eine Interviewfrage zu sprechen, um sich als Fachmann zu präsentieren. So könnte er mit der „Tür ins Haus“ fallen und den Gesprächspartner vor den Kopf stoßen.
Der Interviewer passt sich nicht an den Gesprächspartner an
Die Körpersprache, die Sprechlautstärke, das Sprechtempo und/oder die Kleidung des Interviewers passen überhaupt nicht zum Gesprächspartner. Doch fehlende Ähnlich- und Gemeinsamkeiten verursachen emotionale Distanz.
Der Interviewer ignoriert Hinweise am Interviewort
Der Interviewer ignoriert Hinweise aus dem räumlichen Umfeld des Interviewpartners, die auf seine (wahre) Mentalität und auf seine Glaubwürdigkeit schließen lassen. Dadurch lässt er sich täuschen und ordnet Interviewäußerungen falsch ein.
Tipps für ein gutes Warm up
Spielen Sie Ihre Rolle positiv und geben Sie Ihrem Gesprächspartner damit ein gutes Gefühl
Denken Sie positiv
Vor der Begegnung mit dem Interviewpartner stimmen Sie sich optimistisch auf ihn ein. Denn je positiver und entspannter Sie sind, desto weniger lassen Sie sich durch Kommunikationsstörungen und negative Emotionen aus Ihrem Gesprächskonzept bringen.
Seien Sie ein Chamäleon
Nähern Sie sich mit Ihrer Kleidung und Ihrem Temperament der Kleidung und dem Temperament Ihres Interviewpartners an. Denn Menschen finden andere Menschen vor allem dann sympathisch, wenn sie ihnen ähnlich sind. Das ist wissenschaftlich belegt.
Zeigen Sie (aufrichtig!) Wertschätzung
Begrüßen den Interviewpartner in straffer, aufrechter Körperhaltung, mit normal festem Händedruck sowie einem Lächeln auf den Lippen und sprechen seinen Namen korrekt und deutlich aus. Das wirkt wertschätzend. Idealerweise meinen Sie Ihren Respekt ehrlich – egal wen Sie interviewen.
Geben Sie dem Interviewpartner das Gefühl zu führen
Reden Sie nicht nur in der Frage-Antwort-Situation, sondern schon im Warm up viel weniger, etwas leiser und etwas langsamer als Ihr Interviewpartner. Dann wirken Sie interessiert, was seinem ganz menschlichen Selbstdarstellungsbedürfnis gut tun wird.
Sprechen Sie über Gemeinsamkeiten
Meiden Sie streitbare und negativ besetzte Themen wie religiöse und politische Ansichten, Krankheiten und Misserfolge. Denn das Eis brechen Sie vor allem dann, wenn Sie mit Ihrem Interviewpartner im Warm up über Gemeinsamkeiten sprechen: zum Beispiel über die gemeinsame Vorliebe für eine bestimmte Musikrichtung, über guten Wein, über Bergwandern oder über gemeinsame Bekannte und Studienorte.
Der Philosoph Arthur Schopenhauer sagte:
„Wer klug ist, wird im Gespräch weniger an das denken, worüber er spricht, als an den, mit dem er spricht. Sobald er dies tut, ist er sicher, nichts zu sagen, das er nachher bereut.“
Ein Satz fürs Pflichtenheft von Interviewern.
Autor: Mario Müller-Dofel, Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“