Interviewführung hinterfragt, Folge 3: Prof. Dr. Armin Scholl über FAIRNESS. Podcast!

„Fairness ist zu zeigen, dass es zu jeder Sichtweise Alternativen gibt.“

Interviewführung hinterfragt: In Folge 3 unserer 5-teiligen Podcast-Serie mit dem Journalismusforscher Prof. Dr. Armin Scholl geht es darum, was Fairness ist. Dabei geht es nicht nur um (un)faires Fragen, sondern auch um (un)faires Antworten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel fällt Prof. Dr. Scholl im Gespräch ein.
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Prof. Dr. Armin Scholl ist Journalismusforscher und Kommunikationswissenschaftler an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. In den ersten drei Podcast-Folgen mit ihm geht es um journalistische Ansprüche und darum, wie man sie verstehen kann. Natürlich vergleicht Prof. Scholl die Theorie auch mit der gelebten journalistischen Praxis. Nach er in diesem Text angerissenen dritten Folge „Fairness“ werden wir in Folge 4 Missverständnisse in Interviews thematisieren. Und im 5. und letzten Teil mit Prof. Scholl wird journalistische Interviewführung hinterfragt, indem wir die Interviewautorisierung besprechen.

Interviewführung hinterfragt: Die hier sind die schon erschienenen Podcast-Folgen mit Prof. Dr. Armin Scholl:

1: Objektivität
2: Wahrheit

Befragt wird Armin Scholl von Mario Müller-Dofel, Co-Initiator von alles-ueber-interviews.de.

Interviewführung hinterfragt - Interviews führen
Armin Scholl: Im Dienste der Journalismus- und Kommunikationsforschung (Foto: Susanne Lüdeling)

Teil 3: Fairness

“Fairness in Interviews bedeutet zu zeigen, dass es zu jeder Sichtweise auch Alternativen gibt“, sagt Prof. Dr. Armin Scholl. Fairness schließe auch ein, Befragte nicht unnötig zu unterbrechen und sie nicht über die Maßen suggestiv zu befragen. Ebenso sollten Journalisten nicht permanent die Glaubwürdigkeit ihrer Interviewpartner anzweifeln. Es gehe darum, eine gewisse Machtbalance im Gespräch einzuhalten. „Wobei insbesondere politische Interviews immer auch Machtspiele sind.“

Interviewführung hinterfragt: VW-Chef fühlt sich unfair behandelt

Als Mario Müller-Dofel vor diesem Gespräch mit Prof. Dr. Armin Scholl die Wortgruppe „Interview unfair behandelt“ googelte, erschien als erstes Suchergebnis ein FAZ-Artikel mit dem Titel „VW-Chef fühlt sich unfair behandelt“. In dem Beitrag geht es um das Interview eines US-Radiomoderators mit dem (kürzlich abgetretenen) VW-Chef Matthias Müller. Dieser war für einige seiner Äußerungen öffentlich kritisiert worden.

Wenn Interviewpartner sich unfair behandelt fühlen, sieht Prof. Dr. Armin Scholl vor allem drei Gründe dafür:

  • Der Interviewpartner artikuliert das Empfinden, unfair vom Interviewer behandelt worden zu sein, um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken und den Schwarzen Peter von sich zu weisen. Oder:
  • Der Journalist und der Befragte sprechen vorher Fragen oder Themengebiete ab, der Journalist hält sich im Gespräch aber nicht an die Absprachen. Und/oder:
  • Der Befragte fühlt sich unfair behandelt, weil der Journalist hart nachfragt. In diesem Fall hätte der Befragte nicht verstanden, dass hartes Nachfragen selbstverständlich zum Journalistenberuf gehört. „Denn“, sagt Armin Scholl, „ein Journalist, der alles für bare Münze nimmt, was ein Interviewter ihm erzählt, macht seinen Job nicht richtig.“

„Wenn man alles vorher abspricht, wird es ein steriles Interview.“

Und können Interviewte aus Sicht des Kommunikationswissenschaftlers auch unfair antworten? Auch zu dieser Frage äußert sich Prof. Scholl im Podcast. Insbesondere

  • drastisches Ausweichen,
  • dem Interviewer unlautere Absichten unterstellen und
  • Interviews abbrechen

sieht er als unfaire Methoden auf Seiten der Befragten.

Vermeiden ließen sich solche Probleme beispielsweise durch kurzzeitige Metakommunikation im Gespräch oder klare Absprachen im Vorfeld, „wobei die nur eine bedingte Verbindlichkeiten haben können, weil Journalisten in Interviews flexibel bleiben müssen“. Und: „Wenn man vorher alles abspricht, wird es ein steriles Interview“, sagt Scholl.

„Bundeskanzlerin Angela Merkel beherrscht es gut, uninformativ zu bleiben.“

Stichwort ausweichen: Da fällt Prof. Scholl Bundeskanzlerin Angela Merkel ein: „Frau Merkel beherrscht es unglaublich gut, zu Dingen, die ihr unangenehmen sind, uninformativ zu bleiben.“ Allerdings: „Ob ein Interview als steril empfunden wird oder nicht, ist eine Frage der Zuschauerperspektive. Wenn ich sehe, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel Interviewfragen ausweicht, ist das auch eine Information.“

Scholl sagt zudem: “Ob ein Interviewbeobachter merkt, ob Interviewte ausweichen, habe weniger mit Bildung zu tun als mit Gesprächsintuition.” Auf die Frage, ob Journalisten in Interviews dem Publikum klarmachen sollten, wenn ein Interviewpartner ausweicht, meint er: „Da sollten sie zurückhaltend sein, denn das Publikum sieht es oft anders als der Journalist. In diesem Fall kann es nach hinten losgehen.“

Ethisches Bewusstsein ausbilden

Auch im Sinne der Fairness sollten Interviewer gut ausgebildet sein, ein ethisches Bewusstsein haben, ihre Rolle als Stellvertreter des Publikums reflektieren, über ein gutes Sprachgefühl verfügen (auch bei Interviewverschriftlichungen) und Interviewantworten in verschriftlichten Gesprächen so formulieren, wie sie vom Befragten gemeint gewesen sind.

Hört rein, hört zu und stellt die Thesen von Prof. Dr. Armin Scholl Euren eigenen Auffassungen gegenüber. In vier, fünf Wochen folgt der vierte Podcast-Teil mit ihm. Dann geht es um Missverständnisse zwischen Journalisten und Interviewten. Den Alles-über-Interviews-Podcast abonnieren könnt Ihr zum Beispiel auf ITunesPlayer FMLibsyn und Listen Notes. Oder Ihr abonniert den RSS-Feed von „Alles über Interviews“. Dann erreichen Euch die Meldungen zu den einzelnen Podcasts. Und in jeder Meldung ist – wie oben – ein Podcast-Player installiert.