ABP-Direktor Arsenschek über Todsünden und Handwerk in Interviews
„Wer nicht ständig Interviews führt, ist für mich kein ernstzunehmender Journalist“
ABP-Direktor Dr. Robert Arsenschek: Ohne Interviews geht es im journalistischen Alltag nicht. Allerdings sieht der Chef der Bayerischen Akademie der Presse (ABP) in puncto Interviewqualität bei vielen Kolleginnen und Kollegen noch Nachholbedarf. Worauf er bei der Interview-Weiterbildung Wert legt, was für ihn gute Interviews ausmacht und welche Interviewer er besonders schätzt – über dies und mehr spricht er im Alles-über-Interviews-Podcast. (Der Player ist unter dem Foto.)
Früher war Robert Arsenschek unter anderem Seite-Drei-Chef und Chefreporter der Tageszeitung Münchner Merkur. Seit 2015 ist er ABP-Chef und damit für das Seminarprogramm und die Seminarinhalte verantwortlich. Der journalistischen Stilform Interview schreibt er eine besondere Rolle zu: Sie sei zentraler Bestandteil der journalistischen Arbeit, ob gedruckt, live oder zur Recherche. An exklusive Inhalte kämen Journalisten nur durch direkten Austausch heran, sagt Robert Arsenschek. Doch obwohl Interviews allgegenwärtig sind, werde das dafür erforderliche Handwerkszeug oftmals vernachlässigt.
Diese drei Interview-Todsünden sieht der ABP-Chef
„Ich muss über meinen Interviewpartner mehr wissen als er selbst“, zitiert Arsenschek im Interview-Podcast Paul Sahner, den langjährigen Gesellschaftsreporter der Illustrierten „Bunte”. Eine akribische Vorbereitung zeuge von Respekt für den Interviewpartner und erleichtere ein Gespräch auf Augenhöhe. Doch häufig bereiteten sich Journalisten zu wenig oder nicht gut genug vor. Für Arsenschek die erste „Interview-Todsünde“.
Dass Interviewer sich häufig an vorgefassten Fragen entlanghangeln und dadurch kaum Spontaneität entsteht, ist für ihn die zweite Todsünde. Und die dritte ärgere ihn besonders: Dass Journalisten nicht nachhaken, wenn Interviewpartner Fragen nicht oder ausweichend beantworten. Als klassisches Beispiel dafür, wie man es besser machen kann, nennt Arsenschek das Interview zwischen BBC-Journalist Jeremy Paxman und Michael Howard, der zum Interviewzeitpunkt britischer Innenminister war.
Interview statt „Unterview“ – auf Augenhöhe bleiben
Besonders wichtig in den Interviewseminaren der ABP sei ihm, dass die Inhalte direkt in den journalistischen Alltag übertragbar sind, sagt Robert Arsenschek. In vielen praktischen Übungen erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Werkzeugkasten – mit dem Ziel, insbesondere unerfahrenen Interviewerinnen und Interviewern den Rücken zu stärken und eine Haltung zu vermitteln. Sie soll es ihnen erlauben, ihre Gesprächspartner auf Augenhöhe zu befragen. Ein Interview dürfe nicht zum „Unterview“ geraten. Er hebt das ABP-Seminar „Strategien und Psychologie der Interviewführung“ hervor. Es ist das einzige Seminar im ABP-Programm, das fünf Tage dauert, und ist entsprechend intensiv.
Es gehe ihm und den Dozentinnen und Dozenten der ABP darum, dass sich Interviewer nicht überrumpeln oder für dumm verkaufen lassen, in Gesprächen selbstbewusst auftreten – und sich nicht allzu großen Druck machen. Sie sollten die gesamte Interview-Klaviatur beherrschen lernen. Denn grundsätzlich seien Interviews eine „wahnsinnig lebendige, attraktive Form für Journalisten“, findet der Chef der ABP.
Kritische Interviewer: Slomka, Gorkow und Wolf als Vorbilder
Robert Arsenschek nennt im Interview-Podcast einige Interviewer, die als Vorbilder taugten: Marietta Slomka vom ZDF heute-journal etwa sei für ihre kritischen Fragen bekannt, ecke mit ihrer Art zu fragen aber durchaus auch bei manchen Menschen an.
Beeindruckt habe ihn auch das Interview „Der Aktivist“, das Alexander Gorkow mit Pink Floyd-Sänger Roger Waters geführt hat. Dieser sah sich mit einem Antisemitismusvorwurf konfrontiert und wurde für seine Unterstützung der umstrittenen BDS-Kampagne kritisiert. Gorkow habe das Interview sehr konfrontativ geführt und dabei keinerlei falschen Respekt vor dem Rockstar gezeigt.
Einer weiteres Vorbild sei ZiB2-Moderator Armin Wolf. Bewundernswert finde er seine akribische Vorbereitung und seine beharrliche und zugleich stets sachliche Art der Interviewführung. Als Beispiele nennt Arsenschek die Interviews mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem österreichischen Industriellen und Politiker Frank Stronach.
ABP-Fortbildung – denn „die andere Seite schläft nicht“
Ob es tatsächlich immer weniger kritische Interviews gebe, wie der Journalismusforscher Michael Haller einmal anmerkte, müsse laut Arsenschek genauer untersucht werden. Doch spreche einiges dafür, schließlich stehe bei Interviews oft der Unterhaltungswert stärker im Vordergrund als der Informationsgewinn und das kritische Hinterfragen.
Außerdem ließen sich etwa Unternehmer und Politiker immer häufiger gezielt auf kritische Fragen vorbereiten. „Die andere Seite schläft nicht“, sagt der ABP-Direktor, und darauf müssten Journalistinnen und Journalisten sich in besonderer Weise einstellen – und im Zweifel eben auch ihre eigenen Interview-Fähigkeiten noch einmal auffrischen.
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