Ausweichmanöver: 11 Interviewtipps dagegen

Über den Umgang mit Phrasendreschern und Antwortverweigerern

Ausweichmanöver - diese Interviewtipps helfen
Ausweichende Interviewpartner anschreien: Bringt schon mal nix (Foto: Elena Kouptsova-Bast/Fotolia)

Wie können Journalisten Antwortverweigerer, Phrasendrescher, Wortverdreher und Schwafler auf den Punkt bringen? Und falls das misslingt, dem Publikum verdeutlichen, dass der Interviewpartner nicht konkret antworten will? Und all dies, ohne die emotionale Beziehung zu ihm zu beschädigen? Hier sind die wichtigsten Interviewtipps gegen Ausweichmanöver:

1. Nicht nur hören. Zuhören!

Journalisten müssen ihren Interviewpartnern genau zuhören, um deren Antworten wirklich erfassen zu können: Welche Worte wählt der Antwortende? Umschreibt er bestimmte Begriffe? (Ein Ausweichmanöver ist wahrscheinlich, wenn zum Beispiel aus unrealistischen Projekten in der Frage ambitionierte Vorhaben in der Antwort werden.) An welchen Stellen leistet sich der Interviewte Denkpausen (… hm …, … äh …) oder Versprecher (zum Beispiel Spaßmaßnahmen statt Sparmaßnahmen)? Benutzt er sinnleere Füllwörter wie eigentlich, irgendwie und sicherlich oder Floskeln wie absolut und total? Und warum tut er dies? Antwortet er überhaupt auf die gestellten Fragen? All diese Fragen müssen Interviewer im Hinterkopf haben, während sie zuhören. Das fordert Beobachtungsgabe, Konzentration, Gespür für Zwischentöne.

2. Schwafler unterbrechen

Dazu wartet der Interviewer am besten, bis der Befragte nach einem abgeschlossenen Gedankengang eine Atempause einlegt. Und hakt dann mit einer (Wiederholungs-)Frage ein: Entschuldigen Sie bitte, könnten Sie die Gründe für Ihren Optimismus nochmals konkret in kurze Worte fassen? Mir scheint, Sie möchten im Wesentlichen auf zwei Punkte hinaus … Hier fordert der Interviewer den Vielredner betont höflich auf, sich konkret auf zwei wesentliche Punkte zu beschränken. Sollte der Befragte erneut abschweifen, kann ihn der Journalist mit einer Bestätigungsfrage versuchen festzulegen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass …? Sollte der zweite Versuch auch nur ein Ausweichmanöver bringen, was bei Medienprofis häufig passiert, kann der Journalist per Alternativfrage in die Metakommunikation gehen: Ich habe den Eindruck, Sie weichen mir aus. Möchten Sie nicht konkret antworten oder missverstehe ich Sie? Nun hat der Interviewer das Ausweichmanöver entlarvt – er gibt dem Interviewpartner aber die Chance, sein Gesicht zu wahren, indem er ein Missverständnis einräumt.

3. Nicht von Phrasen täuschen lassen!

Ex-ZDF-Intendant Dieter Stolte sagte einmal: „Phrasen sind das Falschgeld der Kommunikation.“ Journalisten erkennen Phrasen an redundanten, unlogischen und übermäßig adjektivierten Antworten. Da heißt es in der Wirtschaft zum Beispiel Negativ-Wachstum beim Firmengewinn (gemeint sind sinkende Gewinne oder Verluste), Ergebnislücken (gemeint sind Verluste), konsequente Strategiesteuerung (was auch immer das ist) sowie innovative Neuentwicklungen (doppelt gemoppelt für andere Produkte). Geeignete Abwehrmethoden gegen solche Ausweichmanöver sind Bestätigungs- und Konkretisierungsfragen sowie absichtliche Missverständnisse. Nützen diese nichts, sollte der Interviewer seine Nachfrage ein- oder zweimal wiederholen, damit dem Publikum wenigstens auffällt, wie der Interviewte sich windet. Es wird sich seinen Reim darauf machen.

4. Verweigerer aus dem Konzept bringen

Wenn ein Interviewpartner mauert, indem er nur kurz und sinnleer antwortet (sehr beliebtes Ausweichmanöver), können Fernseh-, Radio- und Videojournalisten ihm ihr Mikrofon ein wenig länger unter die Nase halten, um mehr aus ihm herauszuholen. Wahrscheinlich wird der Interviewte dann nachlegen, zumal ihm klar ist, dass er vom Publikum beobachtet wird. Anders bei Printjournalisten: Sie können ihren Interviewpartner nach einer allzu kurzen Antwort zwar ein paar Sekunden länger erwartungsvoll anschauen. Aber die Erfolgsaussichten sind hier geringer, weil der Befragte nicht auf der öffentlichen Bühne spricht und von daher weniger Druck hat, gescheit zu antworten. In jedem Fall sollten Interviewer dieses Nervenspiel nur sparsam gegen Ausweichmanöver einsetzen, ansonsten schadet es der Gesprächsatmosphäre und damit der Antwortqualität auf die nächsten Fragen.

5. Ausweichende Interviewpartner in Sicherheit wiegen

Spürt der Journalist, dass der Befragte nicht konkret antworten will, kann er ihn auch mit einer anderen Frage (zunächst) von dem offensichtlich heiklen Thema wegführen. Dadurch bekommt der Gesprächspartner das Gefühl, dass sein Ausweichmanöver geglückt ist. Später muss der Journalist aber wieder auf die unbeantwortete Frage zurückkommen, wenn er auf diese noch eine Antwort haben will (und das sollte er wollen): Sie hatten mir vorhin eine Frage nicht beantwortet: Wie viel verdienen Sie denn nun? Also ganz ehrlich – andere Firmenchefs verraten das doch auch. Nun wird sich der Befragte rechtfertigen müssen, wenn er nicht wie ein plumper Antwortverweigerer aussehen will.

6. Sprechpausen aussitzen

Mitunter kann es quälend lange dauern, bis ein Interviewpartner beginnt, auf eine Frage zu antworten. Vielleicht muss er erst seine Überraschung über die Frage verdauen. Oder er inszeniert das Schweigen als Machtspiel, das den Interviewer verunsichern soll. Journalisten sollten Sprechpausen aussitzen, das Schweigen also nie zuerst brechen. Manche machen den Fehler, aus Unsicherheit einfach die nächste Frage zu stellen, ohne sich die vorige beantworten zu lassen. Dann hat der Informant das Spielchen mit seinem Ausweichmanöver gewonnen.

7. Spione abwimmeln

Mitunter versuchen Gesprächspartner (vor allem ängstliche Medienlaien), die von ihrem Interviewer keine konkreten Fragen vorab bekommen haben, während des Interviews ein paar Blicke auf dessen Fragenzettel zu werfen. Okay, das ist kein richtiges Ausweichmanöver, eher ein Zeichen von Unsicherheit. Manche Journalisten schreiben deshalb ihre Fragen schwer lesbar nieder oder legen ihren Stichwortzettel möglichst weit vom Interviewpartner weg. Problem: Dann können sie ihn womöglich selbst kaum lesen. Die bessere Gegenstrategie: Sobald der Journalist merkt, dass sein Interviewpartner auf den Fragenzettel späht, dreht er ihm den Zettel einfach hin und fragt freundlich: Möchten Sie mal drüber lesen, Frau Schmidt? Wahrscheinlich wird der „Spion“ peinlich berührt ablehnen: Nein, nein, ist schon OK. Dann dreht der Interviewer den Zettel wieder zu sich herum und stellt – als wäre nichts gewesen – seine nächste Frage. Der Ertappte wird sich hüten, weitere Blicke zu riskieren.

8. Gegenfragen kontern

Manchmal versuchen Informanten auch, Journalisten durch Gegenfragen einzuschüchtern. Zum Beispiel so: Sie haben gut reden! Wie hätten Sie denn die Mannschaft spielen lassen, wenn Sie Trainer wären? Der Interviewer sollte Gegenfragen niemals beantworten. Viel klüger ist es bei diesem Ausweichmanöver, den „Ball“ sachlich und freundlich wieder zum Interviewpartner zurück zu spielen: Nun, Herr Trainer, Sie sind der Fachmann … Dann kann der Journalist seine Frage wiederholen. Auf keinen Fall sollte er rüde antworten. Beispielsweise nach dem Motto: Ich stelle hier die Fragen! Beschränken Sie sich doch bitte aufs Antworten. Eine Zurechtweisung würde der Informant dem Journalisten übel nehmen.

9. Streithähne abprallen lassen

Manchmal werden Journalisten nach einer Interviewfrage auch direkt angegriffen: Was? Das wissen Sie nicht? Sie sollten sich mal richtig informieren! Der Interviewer sollte derlei Provokationen möglichst ungerührt an sich abprallen lassen, sich nie verteidigen und den Streithammel auch nicht kritisieren. Wenn der Interviewer ein solches Ausweichmanöver dennoch thematisieren will, sollte er die Ursachen immer auf sich nehmen – auch wenn sich sein Journalisten-Ego dagegen wehrt. Dadurch grenzt er sich positiv von vielen anderen Journalisten ab, die in solchen Situationen nicht über ihren Schatten springen können, obwohl sie dadurch die emotionale Beziehung zu ihren Gesprächspartnern unnötig überstrapazieren. Und er „entwaffnet“ den Angreifer: Tut mir leid, dass ich mich da jetzt nicht so gut auskenne wie Sie. Genau deshalb bitte ich Sie, es zu erklären. Der Interviewer sollte mit freundlicher, aber fester Stimme sprechen, dem Befragten in die Augen schauen und aufrecht sitzen. Der Gesprächspartner wird sein angriffslustiges Ausweichmanöver bald einstellen, weil es sich allein schlecht streiten lässt.

10. Warum Gesinnungsjournalisten schlechte Interviewer sind

Sie halten Empathie für Blödsinn und befragen ihre Interviewpartner besonders tendenziös, weil sie vor allem ihre eigenen Meinungen bestätigt bekommen möchten. Damit provozieren sie Ausweichmanöver geradezu. Manche werden gegenüber Interviewpartnern gar unverschämt, nur um sich zu profilieren. Gesinnungsjournalisten führen sich als Richter im Namen des Publikums auf, die durch ihre Fragen das Urteil über den Interviewten sprechen und seine „Verteidigung“ ignorieren. Aber was bringt das, außer dass die „Verklagten“ die Kooperation verweigern? Top-Interviewer dagegen verbergen ihre persönlichen Gefühle und Meinungen, auch wenn das beispielsweise gegenüber anders denkenden Politikern, reuelosen Straftätern oder Lügnern mitunter schwierig ist. Insbesondere Radio- und TV-Interviewer sollten sich hüten, wie Gesinnungsjournalisten aufzutreten. Das kann aus Sicht des Publikums unprofessionell und parteiisch wirken, sodass es sich auf die Seite des Befragten und gegen den Journalisten stellt.

11. Konkrete Fehler von Interviewern, die Ausweichmanöver provozieren

Solche Interviewer

  • stellen zu viele (offene) W-Fragen, sodass der Interviewte seine gewünschte Antwortagenda relativ leicht durchsetzen kann,
  • fragen im Ton zu aggressiv, sodass der Interviewte die Fragen als Angriffe versteht und sich innerlich verschließt,
  • vermitteln durch zu viele tendenziöse Fragen den Eindruck, dass er/sie nicht neutral, sondern parteiisch fragt,
  • fragen eintönig und inhaltlich unoriginell, sodass der Interviewpartner sich langweilt,
  • hören dem Interviewten nicht aufmerksam zu und erkennen deshalb nicht, ob und wann sie nachhaken sollte,,
  • trauen sich nicht nachzuhaken, weil sie zu viel Respekt vor dem Gesprächspartner haben,
  • beantworten sich heikle Fragen selbst, weil sie Angst vor der eigenen Courage und vor negativen Reaktionen des Informanten haben.

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