Interviewfragen: „Ähm, was ich noch fragen wollte …“

Was tun, wenn im Interview die Fragen ausgehen?

Interviewfragen. Oder auch nicht? Die Rollen im Interview sind klar verteilt: Der Journalist oder Blogger stellt die Fragen, der Befragte gibt die Antworten. Was aber, wenn noch Zeit auf der Uhr ist, aber keine Fragen mehr auf dem Zettel stehen? Vor allem Interview-Neulingen kann das passieren. Über Ursachen dafür und wie sich die unangenehme Situation vermeiden lässt, lest Ihr hier.

Von David Korsten*

Interviewfragen - Interviewführung
Ratlos: Was frag’ ich den Interviewpartner denn noch? (Foto: fotomek/Fotolia.com)

Kennt Ihr als Interviewer das? Die vereinbarte Interviewzeit bietet noch reichlich Potenzial für weitere Interviewfragen. Aber: Alle vorher notierten Fragen sind abgearbeitet und im Kopf taucht spontan kein weiterer Aspekt mehr auf. Dieses Gefühl, dass die Fragen weg sind, Ihr aber noch nicht das Beste aus dem Gespräch herausgeholt habt, kann unangenehm sein. Schließlich seid Ihr als Fragesteller dafür verantwortlich, dass das Gespräch in Gang bleibt – und nicht die Befragten. Wenn Euch nichts mehr einfällt, lauft Ihr Gefahr, dass Interviewte Euch als unprofessionell wahrnehmen. Insbesondere bei Journalisten und Bloggern, die gerade erst mit dem professionellen Interviewen beginnen, können Mängel im Interviewfragen-Konzept Unsicherheiten erzeugen oder verstärken.   

Dass Euch als Interviewern mitten im Gespräch die Interviewfragen ausgehen, kann verschiedene Ursachen haben. Im Folgenden einige der wichtigsten – und was Ihr bei Leere im Kopf tun könnt. 

1. Vorbereiten geht vor Nachfragen

Wenn Euch als Interviewer keine Interviewfragen mehr einfallen, solltet Ihr Euch kritisch fragen, ob Ihr Euch gut genug vorbereitet habt: Habt Ihr Euch zum Beispiel inhaltlich wirklich ausreichend eingelesen oder zu wenig darauf geachtet, zu welchen Themen Euer Gesprächspartner überhaupt etwas beitragen kann? Ist schlechte Vorbereitung die Ursache für einen Mangel an Interviewfragen, ist das zwar ärgerlich, im Interview selbst aber mitunter nicht mehr zu ändern.

Ein möglicher Ausweg: Bedankt Euch bei Eurem Interviewpartner für das Gespräch und kündigt an, dass Ihr Euch nach dem Interview eventuell noch einmal kurz mit einer Nachfrage per E-Mail meldet. Die meisten Interviewten finden das okay. Wahrscheinlich habt Ihr aber keine Zeit dafür, weil Ihr das Interview schnell abgeben oder den Interviewtext veröffentlichen müsst. Daher der Appell: Plant ausreichend Zeit für die Interviewvorbereitung ein, um nicht in die peinliche Situation zu geraten, wichtige Fragen zu vergessen und unprofessionell zu wirken. 

2. „Ja“, „nein“, „Das müssen Sie wen anders fragen“ – einsilbige Gesprächspartner  

Manche Gesprächspartner wirken lustlos und beschränken sich auf einsilbige Antworten. Das kann insbesondere bei Personen der Fall sein, die sehr häufig interviewt werden. Fachleute, Prominente, Politiker oder Manager sind relativ schnell gelangweilt von den immergleichen Fragen (und ihren immergleichen Antworten).

Wenn das die Ursache ist, solltet Ihr das nächste Interview gezielt vorbereiten. Konkret: Bemüht Euch, Gesprächspartner mit Anekdoten, Zitaten oder überraschenden Zusammenhängen zu kitzeln – und ihnen so eine überraschende oder ungewöhnliche Antwort zu entlocken. Das wird in den allermeisten Fällen auch Interviewten mehr Spaß machen, als Routinefragen abzuarbeiten.

3. War es das etwa schon?

Interviewfragen - Interviews führen
David Korsten: Gibt Interviewerfahrung weiter (Foto: Privat)

Auch in der Nachbereitung des Gesprächs will Euch keine Frage einfallen, die Ihr noch hättet stellen sollen. Ihr habt alle Aspekte abgefragt, die Ihr abfragen wolltet, Eurer Gesprächspartner hat gut gelaunt und informativ geantwortet, Euch vielleicht sogar noch Hinweise auf weitere Gesprächspartner oder zusätzliche Aspekte gegeben, die Ihr nicht auf dem Schirm hattet. Wenn Euch dann keine Frage mehr einfällt, kann der Grund schlicht und einfach lauten: Das Interview ist vorbei – und lief besser als gedacht.

Es fällt nicht immer leicht herauszufinden, woran es nun wirklich gelegen hat, dass Euch die Fragen ausgegangen sind. Beruhigend: Je mehr Erfahrung Ihr mit Interviews sammelt, desto leichter wird Euch die Ursachenforschung fallen – und desto besser werdet Ihr Euch selbst als Interviewer kennenlernen.  

Keine Fragen mehr und trotzdem souverän bleiben

Zum Schluss noch ein Tipp, mit dem Ihr souverän wirkt, auch wenn Euch die Fragen ausgegangen sind: Fragt den Interviewpartner einmal: „Möchten Sie noch etwas ergänzen, das Ihnen wichtig ist und worüber wir noch nicht gesprochen haben?“ Mit etwas Glück gewinnt Euer Interview dadurch eine zusätzliche Dimension. Zumindest aber verschafft Ihr Euch etwas Zeit – in der Euch vielleicht doch noch weitere gute Fragen einfallen.       

* David Korsten ist freier Journalist aus Köln. Der studierte Historiker arbeitet für verschiedene Print- und Onlinemedien.