Kommunikationsprobleme

Das Interview ist eine der wichtigsten journalistischen Darstellungsformen und Basis vieler Recherchen. Die Bedingungen dafür sind jedoch schlecht. Eine Folge davon sind Kommunikationsprobleme zwischen den Beteiligten. Hier lesen Sie, warum es Kommunikationsprobleme gibt. Und wie Journalisten und andere Interviewer, zum Beispiel aus der internen Kommunikation von Unternehmen, dennoch gute Interviews veröffentlichen können

Nervige Fallstricke

Ob Interviewer hinein tappen, hängt vor allem von ihren kommunikativen Fähigkeiten ab

Verkennen oder erkennen ist hier die Frage

Wer erst mal drin steckt, bleibt im Gespräch hängen, ist nicht selten genervt und sucht die Schuld gerne beim Interviewpartner. Das ist zwar einfach, aber falsch. Denn wenn Sie als Interviewer bestmögliche Interviews veröffentlichen wollen, brauchen vor allem Sie eine klare Sicht auf Kommunikationsfallen, die zwischen Ihnen und Ihren Gesprächspartnern liegen. Nur dann können Sie sie rechtzeitig erkennen und mit ihnen umgehen.

Angst vor Journalisten prägt viele Gespräche

Im journalistischen Interview wollen Sie als Journalist ehrliche und umfassende Antworten auf Ihre Fragen. Aber viele Menschen misstrauen Journalisten, haben sogar Angst vor Ihnen. Dann antworten sie nicht auf die Fragen, die Sie ihnen gestellt haben, sondern auf Fragen, die sie sich gewünscht hätten. In diesem Fall führt der Interviewte Sie – und nicht anders herum, wie es häufig in Lehrbüchern steht. Manchmal biegen Interviewte die Wahrheit auch bis sie ihnen dienlich ist, um ihre Interessen zu verteidigen.

Journalisten haben ein mieses Image

Der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer sagte: „Mit kleinen Jungen und Journalisten sollte man vorsichtig sein. Die schmeißen immer noch einen Stein hinterher.“ Und die Kriminalromanautorin Agatha Christie: „Journalisten habe ich nie gemocht. Ich habe sie alle in meinen Büchern sterben lassen.“ Auch heute ist das Journalistenimage miserabel. Das belegt beispielsweise die Berufsprestigeskala des Instituts für Demoskopie Allensbach jedes Jahr aufs Neue. Kein Wunder also, dass Interviewer oft auf Gesprächspartner treffen, die sich ihren emotionalen Schutzschild vor lauter Misstrauen bis über den Scheitel ziehen.

Ursachen für schlechte Interviews

Machtspiele, Nachlässigkeiten, Eitelkeiten und Zensur mindern die Qualität

Konfliktfördernde Machtspiele

Offen im Sinne einer unverfälschten, nicht-manipulativen Kommunikation, wie das journalistische Interview mitunter verherrlicht wird, ist es schon deshalb nicht, weil Interviewer und ihre Gesprächspartner immer Interessen vertreten – die des Publikums, des Arbeitgebers oder persönliche zum Beispiel. Daraus entstehen Machtspiele, die in offenen oder versteckten Konflikten münden und die Kommunikation stören. Diese Konflikte zu erkennen, zu managen und in Wohlwollen aufzulösen, ist ein Vabanquespiel.

Geringe Qualitätsansprüche

Obwohl das Vabanquespiel viel kommunikatives Geschick verlangt, darf in den meisten Redaktionen jeder Journalist jeden Informanten interviewen, sofern er dabei innerhalb seiner Ressortzäune bleibt. Kommunikative (Un-)Fähigkeiten sind bei der Auswahl der Interviewer in der Regel egal. Dasselbe gilt für die Kommunikationsabteilungen von Unternehmen. Frei nach dem Motto: „Schwätzen kann jeder“ werden die Anforderungen an gute Interviews stark unterschätzt. Und die Qualitätsansprüche? Sind oft klitzeklein, auch weil den Beteiligten das nötige Interviewwissen fehlt.

Vernachlässigte Interviewvorbereitung

Zudem sparen die meisten Journalisten- und PR-Redaktionen an Personal, sodass der Arbeitsdruck auf die einzelnen Interviewer steigt. Und so verkommt die wichtige Interviewvorbereitung im stressigen Arbeitsalltag oft zur Nebensache.

Emotionale Gesprächsatmosphäre

Außer von Informationsinteressen auf der Sachebene hängt die Interviewqualität auch von Ängsten, Eitelkeiten, Wünschen und Erwartungen der Beteiligten ab. Und von den daraus entstehenden Verhaltensweisen auf der emotionale Kommunikationsebene. Diese beeinflusst die Gesprächsatmosphäre weit mehr als die besten Sachargumente. Wird das Gesprächsklima deshalb schlecht, wird das Interview häufig zur Farce.

Umstrittene Autorisierungspraxis

Dies gilt vor allem für Journalisten: Nach der Interviewverschriftlichung durch den Interviewer verändern Befragte in der so genannten Autorisierung ihre Antworten mitunter derart stark, dass sich ihr Tenor völlig ändert. Dieser Umgang mit der Autorisierung sowie das Pro und Contra dazu sind heiß umstritten. Das verschärft das Misstrauen zwischen Interviewern und Interviewten.

Anregungen für bessere Interviews

Gute Interviewer sind informiert, beherrscht, fair, selbstkritisch und anspruchsvoll

Führen Sie Interviews souverän und zielorientiert

Selbst wenn Sie sich von Gesprächspartnern misstrauisch oder geringschätzig behandelt fühlen: Bleiben Sie positiv, souverän, fair und zielorientiert. Halten Sie sich immer vor Augen, wie Sie Ihre Rolle im Interview spielen müssen, damit Ihnen Ihr Gesprächspartner bereitwillig folgt und Sie das beste Ergebnis für Ihre Leser erreichen.

Vermeiden Sie negative Emotionen

Selbst wenn Sie beschimpft und belogen werden: Nehmen Sie es nicht persönlich. Dann fällt es Ihnen leichter, sachlich und systematisch fragend der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Vermeiden Sie es unbedingt, dass Sie sich durch negative Emotionen von Ihrem roten Faden und Ihren Interviewzielen abbringen lassen.

Bleiben Sie reflektiert

Stellen Sie eigene Eitelkeiten für die Sache – das bestmögliche Interview – zurück und hinterfragen Sie kritisch Ihre Stärken und Schwächen. Zum Beispiel: Sind Sie wirklich der Richtige für ein bestimmtes Interview? Oder kann ein Kollege mit anderen kommunikativen Stärken bei bestimmten Interviewpartnern vielleicht mehr herausholen?

Gehen Sie sensibel mit den Worten Ihrer Gesprächspartner um

Verschriftlichen Sie die Originalgespräche mit bestem journalistischem Handwerkszeug, gehen verantwortungsbewusst mit den Worten der Interviewten um und lassen Sie Ihre Interviewtexte vor der Autorisierung von Kollegen checken. Fragen Sie sich: Habe ich den Interviewten treffend wiedergegeben? Beraten Sie sich mit dem Gegenleser zu folgenden Fragen: Ist der Text flüssig geschrieben? Werden die Interviewfragen wirklich beantwortet? Welche Passagen könnte der Interviewpartner ändern wollen? Und wie beuge ich dem vor?

Sensibilisieren Sie Kollegen für eine gute Interviewqualität

Versuchen Sie, mit Ihren Kollegen in den journalistischen und PR-Redaktionen Qualitätskriterien für gute Interviews zu definieren und arbeiten Sie daran, dass sich alle Redaktionsmitglieder daran orientieren. Eine Frage dazu muss lauten: Was macht einen guten Interviewtext aus?

Der griechische Philosoph Aristoteles sagte:

„Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.“ Dies ist ein guter Leitsatz für Journalisten, die trotz schwieriger Umstände die Leichtigkeit behalten wollen, die Top-Interviewer brauchen.

 

Autor: Mario Müller-Dofel, Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“