Playboy und Ralf Rangnick im Autorisierungsstreit: Irion ist irritiert
Wieder ein Interview für die Tonne
Playboy lässt Fußballmanager auflaufen: Gerade gab es wieder Streit um die Autorisierung eines Interviews, an der namhafte Parteien beteiligt waren: die deutsche Ausgabe des Magazins Playboy und Ralf Rangnick, Sportdirektor des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig. Lest hier, was los war, wie es ausging und was der Blick durch die juristische Brille bringt.
Im Januar 2018
Rangnick hatte dem Magazin Playboy ein Interview gegeben und bekam die Textversion des Gesprächs zur Autorisierung geschickt. Dem Playboy zufolge veränderten Rangnick und seine PR-Berater den Text derart, dass „unabhängiger Journalismus bewusst verhindert“ worden sei. Die Mitteldeutsche Zeitung resümierte dazu: „Beim Playboy entschied man sich dafür, anstelle des Rangnick-Interviews, das in der Originalfassung nicht zugelassen wurde, eine Kritik am Weichspüler der PR-Abteilung zu drucken.“ Das Interview erschien also nicht.
Abgesehen davon, dass die Zeitung unerwähnt lässt, dass der Playboy ganz sicher nicht die „Originalfassung“ des gesamten Gesprächs , sondern eine am Originalgespräch orientierte verschriftlichte und verkürzte Version des Interviewtextes zur Autorisierung an Rangnick geschickt hatte, drängen sich Fragen nach der Rechtmäßigkeit des Vorgehens beider Seiten auf:
Frage 1: Dürften Ralf Rangnick oder dessen Berater den Playboy-Interviewtext nach ihrem Ermessen umschreiben, ohne die Änderungen mit der Redaktion abzustimmen?
Frage 2: Darf der Playboy das Interview in den Mülleimer werfen, obwohl eine Veröffentlichung klar beabsichtigt war?
Wir haben die renommierte Medienrechtlerin Tanja Irion gefragt. Und Irion ist irritiert: Sie sagt:
„Ohne den konkreten Autorisierungsvorbehalt, der zwischen dem Playboy und Ralf Rangnick vereinbart wurde, zu kennen, lassen sich diese beiden Fragen nicht genau beantworten. Denn ob und inwieweit Rangnick und seine Berater Änderungen vornehmen und ob der Playboy so handeln durfte, wie er es tat, hängt von der individuellen Vereinbarung der beiden Parteien ab. Deshalb etwas allgemeiner: Das deutsche Recht lässt erwachsenen Menschen relativ freie Hand, was sie miteinander vereinbaren. Wenn es nicht für nötig gehalten wird, kann auch ganz auf eine anschließende Autorisierung durch den Interviewten verzichtet werden. Einen gänzlichen Verzicht halte ich allerdings für riskant.
Nicht nur beim Playboy: Schutz vor unangenehmen Überraschungen und rechtliche Absicherung
Die Vereinbarung eines Autorisierungsvorbehaltes ist an sich nicht ungewöhnlich. Für den Interviewten ist dies eine Möglichkeit, sich vor unangenehmen Überraschungen zu schützen: Vor der Veröffentlichung des Gesprächs kann er den fertigen Text lesen und – soweit aus seiner Sicht erforderlich – Änderungen verlangen. Das Risiko, sich mit in seinen Augen so nicht getätigten Äußerungen konfrontiert zu sehen, kann er auf diese Weise minimieren.
Auch für den Interviewer bringt ein Autorisierungsvorbehalt nicht nur Nachteile mit sich, wie von vielen Pressevertretern beklagt. Dadurch, dass der Gesprächspartner durch die Autorisierung ein verbindliches OK gibt, ist schließlich auch der Interviewer rechtlich abgesichert und muss sich im Nachhinein nicht etwa vorwerfen lassen, Fehler in der Wiedergabe der Äußerungen gemacht zu haben. Im Ergebnis hat ein Autorisierungsvorbehalt also durchaus das Potential, eine gute Sache zu sein.
Nicht die Perspektive des Gesprächspartners vergessen
Schwierig wird es lediglich, wenn sich die Interviewpartner nicht einig darüber werden, was noch angemessene Änderungswünsche und was schon übermäßiges Redigieren ist. Immer mehr Journalisten und Medienvertreter kritisieren an dem Instrument der Autorisierung, dass ihre journalistische Freiheit schwerwiegend beeinträchtigt werde. Das dazugehörige Stichwort, das in diesem Zusammenhang gerne fallen gelassen wird, lautet ‘Autorisierungswahn’.
Was in der Diskussion um die Zulässigkeit von Autorisierung allerdings nicht vergessen werden darf, ist die Perspektive des Gesprächspartners. Die fertige verschriftliche Version eines Interviews, die dem Interviewten zur Autorisierung vorgelegt wird, kann schon allein aus Gründen des Stils, der Lesbarkeit und des begrenzten Platzes nicht das gesamte geführte Interview im exakten Wortlaut wiedergeben. Änderungen müssen zwangsläufig vorgenommen werden; das ist gerade Teil der journalistischen Arbeit.
Auch der Pressekodex verlangt keine Verschriftlichung jedes einzelnen Nebensatzes. In Richtlinie 2.4 heißt es insoweit: ‘Ein Wortlautinterview ist auf jeden Fall journalistisch korrekt, wenn es das Gesagte richtig wiedergibt.’ Die journalistische Sorgfalt ist also schon dann gewahrt, wenn die Äußerungen des Gesprächspartners in ihrem Kern wiedergegeben werden, ohne dass der Aussagegehalt verändert wird.
Heilsamer Vorbehalt
Die Kunst liegt darin, pointiert herauszuarbeiten, was und wie sich der Interviewte ausdrücken wollte. Während einige Journalisten diese Aufgabe hervorragend beherrschen, fällt es anderen schwerer, das Gesagte so präzise und einfühlsam auf den Punkt zu bringen, dass sich das Gegenüber im Text wiedererkennt. Genau da greift die Funktion des Autorisierungsvorbehalts heilsam ein: Wenn der fertige Text maßgeblich von dem abweicht, was tatsächlich kommuniziert werden sollte, kann eine entsprechende Anpassung verlangt werden. Im Extremfall geht es dann eben so weit, dass eine Autorisierung völlig ausscheiden muss und das Interview nicht gedruckt werden kann.
Was das Vorgehen sowohl des Playboy als auch von Rangnick im konkreten Fall angeht, hängt dessen Zulässigkeit, wie anfangs gesagt, von deren konkreten Vereinbarungen ab. Jedenfalls stellt es in der deutschen Medienlandschaft zumindest keine Premiere dar, dass aus Protest gegen eine (gefühlt) übermäßige Korrektur des geführten Interviews öffentlichkeitswirksame Maßnahmen durch das jeweilige Medium ergriffen wurden. Beispielhaft sei nur die „taz“ genannt, die einmal die Antworten ihres Interviewpartners geschwärzt und ein anderes Mal ausschließlich die Interviewfragen selbst abdruckte, nachdem jeweils beide Male die Autorisierung verweigert worden war.”
Tanja Irion ist Medienrechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei IRION | DÜNNWALD in Hamburg. Sie berät auch juristisch in Krisen-PR-Fällen. Ihr spektakulärster Fall war der Prozess von Ex-Formel-1-Chef Max Mosley gegen „Bild“ sowie das Vorgehen gegen mehr als 100 andere Medien in dieser Sache.
Lesen Sie weitere Rechtskolumnen von Tanja Irion:
Zitatrecht: Unerlaubtes Zitieren aus Exklusivinterviews? Irion ist irritiert
Aufdringliche Journalisten? Irion ist irritiert
Interviews mit Minderjährigen? Irion ist irritiert
Interviews heimlich aufnehmen? Irion ist irritiert
Erfundene Interviews veröffentlichen? Irion ist irritiert
Die Autorisierungspraxis aus juristischer Sicht