Interviewfragen: Über einen vermeidbaren Fehler im Star-Interview

Interviewfragen am Schluss: Warum man nicht „die letzte Frage“ sagen sollte!

Wenn die Zeit im Interview knapp wird, droht ein Fehler bei den Interviewfragen, der fürs optimale Gesprächsergebnis besser vermieden werden sollte. Wieso man sich lieber nicht zu sklavisch an Limits hält – erfahren Sie es hier.

Von Tim Farin*

Interviewfragen -letzte-Frage-Tom Dumoulin
Unter Zeitdruck besser: Holen Sie so viel aus dem Gespräch raus wie möglich, ohne selbst “letzte Frage” zu sagen. (Foto: Farin)

Kürzlich ist mir wieder etwas passiert, vor dem ich Volontäre, Studenten und auch gestandene Kollegen mit Blick auf ein gut geführtes Gespräch schon häufig gewarnt habe. In einem Interview mit dem niederländischen Radsportsuperstar Tom Dumoulin (erschienen in TOUR 12/2017) sagte ich: „Wir sind gleich durch – aber zwei Fragen habe ich noch.“

Ärgerlich. Denn damit war ich es selbst, der dem Gespräch ein Ende setzte. Unnötig.

Sofort wandelte sich die Haltung des Gesprächspartners, er schaltete um auf „Vorverabschiedung“, die Interviewfragen beantwortete er freundlich, aber nicht mehr tief – und die Sache war dann eben durch. Zwei Fragen, zwei Antworten. Ende. Ich hatte es ja selbst so gewollt.

Je kürzer, desto mehr bei den Interviewfragen aufs Maximum gehen

Als der Gesprächspartner mir die Hand geschüttelt hatte, sagte der Pressesprecher zu mir: Das mit den zwei Fragen hättest du gar nicht sagen müssen. Ich weiß, dachte ich, ich weiß – denn das hätte ich ja auch normalerweise nie gesagt. Mein Rat wäre gewesen: Einfach weitermachen, wenn es noch zu gehen scheint. Und genau das bestätigte der Pressesprecher. Dumoulin sei doch ins Gespräch vertieft gewesen, wieso ich ihn selbst rausgeholt hätte durch diese Ansage.

Stimmt. Hätte nicht sein müssen.

Man muss dazu wissen, dass das Interview mit dem Sportstar im Vorfeld hart auf 20 Minuten begrenzt worden war und ich der letzte Journalist war, der an diesem Tag, bei einem Medienmarathon für den Athleten, mit ihm zusammentraf. Der Protagonist wirkte schon recht müde, aber war im Gespräch dann voll aufgeschlossen. Das Zeitmanagement, eine heilige Sache, wollte ich dabei nicht aus dem Blick verlieren. Denn 20 Minuten sind nicht viel für ein solches Aufeinandertreffen.

Als ich dann bereits zwei, drei Minuten über die Zeit war, habe ich so etwas gedacht wie: Na, jetzt bist du eigentlich schon zu weit gegangen, vielleicht ist das unhöflich. Also moderierst du lieber selbst das Ende des Gesprächs, indem du die letzten Interviewfragen ansagst. Aber: Das muss wirklich nicht sein.

Denn:

  • Je kürzer die vereinbarte Interview vereinbart wurde, desto eher sollte man am Ende versuchen, noch das Maximum herauszuholen und zu überziehen – es geht ja schließlich darum, für sich und sein Publikum alles rauszuholen aus einem Interview;
  • Lässt man offen, wie viele Interviewfragen noch kommen, kann man das Ende beliebig gestalten und auch nochmal einen Pfad weiterverfolgen;
  • Wartet man ab, bis der Gesprächspartner oder der Pressesprecher die letzte Frage ansagen, so dürfte man in den meisten Fällen auch wirklich das maximal Machbare herausgeholt haben aus der Zeit. Kündigt man das Ende selbst an, könnte das eher nicht der Fall sein. Im ungünstigsten Fall wirkt man nicht neugierig genug – kein schönes Gefühl für einen Journalisten;
  • Nachfragen werden schwierig, wenn man sich selbst auf „eine letzte“ oder „zwei Abschlussfragen“ festgelegt hat – weil man dann im Zweifel das eigene Wort brechen muss.

Stattdessen wäre es für also besser, in knapp bemessenen Interviews auf das Maximum zu zielen und ansonsten offen zu lassen, was noch geht:

  • Wenn der Pressesprecher sagt „letzte Frage“, dann kann man reagieren und sagen „vielleicht noch zwei“ – das ist eine gute Haltung für Journalisten, wenn es tatsächlich noch diesen Redebedarf gibt.
  • Wenn man am Schluss eines Gesprächs noch ein Thema oder eine Frage klärt, kann man ruhig nachfragen, konkretisieren und eine tiefer gehende Antwort in Erfahrung bringen, bis man tatsächlich das Gefühl hat: Das war jetzt kein schnelles Abhaken, sondern hat einen runden Abschluss ergeben.
  • Ist es tatsächlich so weit, dass ein kurzes Gespräch an einem inhaltlichen Endpunkt ist und alle Fragen beantwortet sind, kann der Journalist selbst sagen: „Vielen Dank für dieses Gespräch.“ Eine nüchterne, freundliche Abmoderation, die den Rahmen klar setzt.

All das habe ich in diesem Gespräch in den Niederlanden nicht gemacht. Gut so, denn deshalb habe ich nochmal drüber nachgedacht – und vielleicht bietet das ja auch Ihnen ein bisschen Gelegenheit zum Nachdenken über das Ende von Interviews.

* Tim Farin ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.