Interviewtipps gegen misstrauische Gesprächspartner

Interviewtipps wider das Misstrauen

Viele Interviewpartner finden Journalisten bedrohlich. Das gilt besonders für Politiker, Wirtschaftsführer und Menschen im Showgeschäft, deren Joberfolg stark von ihrem Image abhängt. 11 Interviewtipps, mit denen Gespräche mit ihnen trotzdem gelingen

Von Mario Müller-Dofel*

So geht man mit misstrauischen Interviewpartnern um
So kann man mit misstrauischen Interviewpartnern umgehen (Bild: Lightfield Studios/Adobestock)

„Journalisten klopfen einem ständig auf die Schulter – auf der Suche nach der Stelle, wo das Messer am leichtesten eindringt.“ Das sagte nicht etwa ein verletzter Interviewpartner, sondern ein renommierter Journalist: der frühere Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und stellvertretender Programmdirektor der ARD, Robert Lembke (1913 – 1989). Ähnliche Zitate gibt es zuhauf, ebenso Meinungsumfragen, nach denen das Image von Journalisten in der Öffentlichkeit grauenhaft ist. 11 Interviewtipps, wie Gespräche mit misstrauischen Gesprächspartnern trotzdem gelingen:

1. Richtig anfragen

Um Termine mit gefragten Gesprächspartnern zu bekommen, brauchen Journalisten vor allem Vertrauen. Das schafft man durch Transparenz. Also keine Angst vor langen Interviewanfragen. Wer, wie, was, wann, wo, warum: Wenn Interviewpartner, die sich der Presse nicht gerade aufdrängen, für ein Interview zusagen sollen, brauchen sie möglichst viele Informationen und gute Argumente dafür. Die „andere Seite“ will wissen, was Journalisten wollen – und keine Überraschungen riskieren. Zudem signalisiert eine ausführliche Anfrage, dass dem Journalisten etwas an dem Interview liegt. Das schmeichelt vielen Adressaten.

2. Grenzen ziehen

Mitunter verlangen angefragte Interviewpartner erst noch konkrete Interviewfragen, ehe sie zu- oder absagen. Grund: Sie wollen unangenehme Fragen abwiegeln bzw. zur Interviewbedingung zu machen, dass sie außen vor bleiben. In solchen Fällen sollten Journalisten besser auf ein Gespräch verzichten.

3. Berechenbarkeit suggerieren

Die meisten Interviewpartner wollen nach der Terminzusage wissen, was der Interviewer fragen will. Kein Problem! Ein paar konkrete Fragen vorab lassen das Interview berechenbar erscheinen. Außerdem können Journalisten damit zeigen, dass sie gut vorbereitet sind. Das kann ihnen Pluspunkte bringen, weil vor allem die Medienprofis unter den Interviewten von schlecht informierten Journalisten genervt sind. Aber Achtung: Wer heikle Fragen vorab verrät, ist selber schuld.

4. Allergietest machen

Nach dem Versand einiger Interviewfragen (oder nur Interviewthemen) lohnt noch ein Telefonat mit der „anderen Seite“. Dabei können Journalisten checken, ob der „bedrohte“ Gesprächspartner auf bestimmte Fragen allergisch reagiert. Wenn ja, heißt das für den Interviewer, dass er sie im Gespräch besonders geschickt anbringen muss, um keine ungewollten Verstimmungen zu provozieren.

5. Sitzordnung arrangieren

Am Gesprächsort wird der Journalist oft ein paar Minuten vor dem Gesprächspartner in den Interviewraum gebracht. Bis dieser kommt, kann er die Sitzordnung nach seinem Gusto arrangieren. Idealerweise sitzen er und der Interviewte über Eck einander zugewandt. Dann ist es nicht wie beim Verhör. Wenn der Journalist den Platz, den er für den Gesprächspartner vorsieht, mit seiner Visitenkarte und der neuesten Ausgabe seiner Publikation präpariert, wird sich dieser wie von selbst dort niederlassen.

6. Eis brechen

Auch wenn Medienprofis sich gern souverän und gelassen in Interviews zeigen, sind sie oft angespannt. Ein Smalltalk vor der Einstiegsfrage über gemeinsame Interessen oder andere unkritische Themen kann das Eis brechen. Muss er aber nicht – wenn man dummerweise das falsche Warm-up-Thema wählt. Also Vorsicht bei streitbaren Themen wie Religion und Misserfolgen sowie intimen und familiären Themen.

7. Locker einsteigen

Um die Zunge des Befragten zu lösen, sollte der Interviewer eine offene und positive Einstiegsfrage wählen und den Befragten dann ausreden lassen. Gefahr dabei: Manche Interviewpartner nutzen die Gelegenheit, um alle Botschaften loszuwerden, die sie sich für das Interview vorgenommen haben. Wenn sie es zu weit treiben, muss der Interviewer doch einschreiten und den Interviewten vorsichtig, respektvoll und mit deutlichem Blick auf die Uhr darauf hinweisen.

8. Kritik zitieren

Journalisten, die Interviewpartner kritisch angehen wollen, ohne sich deren Unmut zuzuziehen, sollten die Kritik aus dem Munde Dritter zitieren. Dann wird der Befragte den Zitierten statt den Interviewer angreifen, wenn er sich verteidigt.

9. Versprechen halten

Wenn sich Interviewte wohl fühlen, lassen sich selbst geübte Rhetoriker schon mal zu Aussagen hinreißen, die sie eigentlich vermeiden wollten. Allerdings bremsen sie sich auch meist schnell wieder. Wenn Journalisten die Vollbremsung bemerken, können sie demonstrativ ihr Aufnahmegerät ausschalten, den Stift ablegen und so signalisieren: Keine Panik, das bleibt unter uns, reden Sie weiter. Off-record-Informationen lassen sich auch später verwerten, ohne der Quelle zu schaden. Hat der Journalist Vertraulichkeit versprochen, sollte er sich daran halten.

10. Gespräche umschreiben

Kaum ein Interviewpartner spricht druckreif und beschränkt sich auf gehaltvolle Antworten. Um aus zu langen Antworten verständliche, informative und kurzweilige Texte zu machen, muss sie der Journalist in der Regel umformulieren und kürzen. Aber bitte mit Feingefühl! Wenn er dabei den Tenor der Aussagen verfälscht oder grobe sachliche Fehler fabriziert, zieht er sich zu Recht den Unmut des Interviewten und liefert gute Gründe für die Autorisierung von Interviewtexten, die viele Journalisten nervt.

11. Textänderungen verhandeln

In der hierzulande üblichen Autorisierung schreiben Interviewte die Textversion des Journalisten oft nochmals um. Wenn Journalisten bestimmte Änderungen unakzeptabel finden, sollten sie intervenieren. Wenn sie dabei den richtigen Ton anschlagen, machen die Intervierten meist zufriedenstellende Zugeständnisse.

* Mario Müller-Dofel ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.