Journalisten von “der Freitag” und ein Fragefehler bei Didier Eribon
„Eine Abstimmung hätte zwingend erfolgen müssen“
Die Zeitung „der Freitag“ hat sich einen Fragefehler geleistet, aus dem Journalisten und Öffentlichkeitsarbeiter gleichermaßen lernen können. Was Boris Rosenkranz von uebermedien.de und die Medienrechtlerin Tanja Irion dazu sagen.
Von Mario Müller-Dofel*, im Mai 2017
Der Fall: Im März 2017 hat „der Freitag“ den französischen Soziologen Didier Eribon interviewt. Ein Thema war, welche Kandidaten bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich (am 23. April und 7. Mai) wohl die größten Chancen hätten: Emmanuel Macron oder Marine Le Pen zum Beispiel.
Am 3. Mai veröffentlichte „der Freitag“ das Interview auf seiner Website, woraufhin der Interviewte twitterte: „Be careful: this interview has been recorded one month before the 1st round and the questions have been modified without my consent!“
Dürfen Journalisten nachträglich Interviewfragen ändern?
Diese Frage hat Boris Rosenkranz vom Onlineportal uebermedien.de aus journalistischer Perspektive umfassend beantwortet. Seine lesenswerte Analyse mit den umstrittenen Fragen und Antworten finden Sie hier. Rosenkranz befragte sowohl Didier Eribon als auch Freitag-Chefredakteur Christian Füller. Eribon meint, wer im Nachhinein Fragen ändere, ändere auch die Bedeutung der Antworten. Auf die umformulierten Fragen hätte er anders geantwortet, erst recht nach dem ersten Wahlgang in Frankreich. Füller hält dagegen, dass seine Änderungen „die Bedeutung des Interview nicht verändert“ haben. Zudem habe Eribon keine Autorisierung verlangt. Immerhin räumte Füller einen „Fehler“ ein und nahm das Interview schon Stunden nach der Veröffentlichung wieder von der Freitag-Website.
Die juristische Perspektive
Der journalistischen Aufarbeitung von uebermedien.de brauchen wir hier nichts mehr hinzuzufügen. Da wäre allerdings noch die juristische Perspektive. Dafür haben wir die Medienrechtlerin und Alles-über-Interview-Kolumnistin Tanja Irion befragt. Sie sagt über die unabgestimmte Umformulierung der Interviewfragen durch den „Freitag“:
“Ein solches Verhalten von Journalisten widerspricht dem Zweck eines Interviews, authentisch Informationen vom Gesprächspartner passend zu konkreten Fragen zu erhalten. Wenn diese im Nachhinein geändert werden, gibt das Interview ja gerade nicht mehr diese authentische Antwort.“ Dies sei unfair gegenüber dem Gesprächspartner und dem Leser. Lediglich kleine sprachliche Korrekturen, die nichts am Inhalt der Frage änderten, halte Irion für rechtlich unbedenklich. „Hier hätte zwingend eine Abstimmung durch die Journalisten mit dem Interviewten erfolgen müssen.“
Vertrauensvorschuss ausgegeben?
„Abstimmung“ heißt Autorisierung. Wenn Interviewpartner darauf verzichten, geben sie Journalisten einen Vertrauensvorschuss. Ob Didier Eribon diese Geste beim nächsten Interview mit einem deutschen Medium wiederholt, wird er überdenken. Insofern hat der „Freitag“ auch sich und anderen Journalisten keinen Gefallen getan.
* Mario Müller-Dofel ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.
(Beitragsfoto auf der Vorderansicht: alexskopje/Fotolia)