Prof. Werner Patzelt über Pegida-Interviews

„Als ich die Meinung der Journalisten bestritt, kamen ungläubige Nachfragen“

Prof. Werner Patzelt (61) ist einer der meistzitierten Experten zu einem der aktuell meistdiskutierten Themen der Politikberichterstattung: Pegida. Er gibt mitunter mehrere Interviews pro Tag und setzt sich deshalb auch mit dem Interviewverhalten von Journalisten auseinander. Ein Gespräch über gemeinsame Produkte, die Interviewautorisierung und Lernprozesse

Von Tim Farin*, im Januar 2015

Der Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden, Werner Patzelt, beobachtet und analysiert die in Dresden groß gewordene Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) und ordnet das Geschehen in überregionalen und internationalen Medien ein.

Gegenüber Interviewdozent Tim Farin verrät Werner Patzelt, wann er mit Journalisten zufrieden ist, wie Interviewer reagieren, wenn er unerwartete Meinungen vertritt, wie Journalisten ein Interview mit ihm veröffentlicht haben, das gar keines war und warum er auf die Autorisierung seiner Aussagen besteht.

werner patzelt - pegida
Politikwissenschaftler Werner Patzelt: “Ein Großteil der Journalisten hat seine Auffassung über Pegida korrigiert.” (Foto: Privat)

Tim Farin: Herr Patzelt, wie viel Lust haben Sie auf dieses Gespräch?

Werner Patzelt: Ich habe eigentlich immer Lust auf Interviews. Sie sind nicht nur eine schöne Abwechslung im Tagesablauf, sondern erlauben auch die Ausweitung des eigenen Wirkungsbereichs. Es sollten nur nicht so furchtbar viele Interviews sein wie gestern oder vorgestern. Grundsätzlich gilt für mich: Wer einen Interviewtermin will, der hat ein legitimes Interesse. Also wäre es unhöflich, nicht über das zu reden, was den Journalisten interessiert.

Es ist Ihnen also noch nicht zu viel?

An manchen, doch wirklich seltenen, Tagen bin ich abends froh, wenn es vorbei ist. Heute ist gottlob wieder ein Tag, an dem ich auch zu dem komme, wofür ich bezahlt werde.

Wie viele Gespräche waren es gestern?

Da hilft mir nur der Blick in den Kalender, auswendig weiß ich es nicht … erst zwei Hörfunkinterviews, dann zwei deutsche Fernsehinterviews, dann Voice of America, dann BBC, schwedisches Fernsehen, ein Team von flämischen Journalisten, danach zwei Rundfunkinterviews, und am Abend noch eine öffentliche Veranstaltung.

Schmeichelt Ihnen das?

Sagen wir’s so: Ich fühle mich nicht gerade sonderlicher Missachtung ausgesetzt, wenn ich häufig angefragt werde. Und wer als Politikwissenschaftler nicht auch in die Öffentlichkeit wirken wollte, hätte einen wichtigen Teil seines Jobs verfehlt.

Sie gehören im Moment zu den meistzitierten Experten, insbesondere zum Thema Pegida. Wenn Sie mal ein Zwischenfazit ziehen: Wie läuft es mit den Interviews zu Pegida?

Es wiederholt sich folgende allgemeine Erfahrung: Wenn Journalisten sich mit einem Thema noch nicht näher befasst haben, dann tasten sie oft herum mit nicht richtig auf den Kern der Sache zielenden Fragen. Das merke ich aber oft im Vorgespräch, und daraus ergeben sich oft punktgenauere Fragen der Journalisten. Aber wenn ein Gegenstand journalistisch schon gut vermessen ist, dann gibt es meist präzise Fragen von wirklich sachkundigen Journalisten.

Ist Pegida als Thema schon gut vermessen?

Seit einigen Wochen ist Pegida ziemlich gut ausgeleuchtet. Sicher haben wir noch nicht alles so recht betrachtet. Aber es ist ein Thema geworden, mit dem sich Journalisten gründlich befasst haben. Und weiterhin ist die Neugier groß. Das ist bei Interviews sehr angenehm.

 

„Gerade die ausländischen Journalisten waren sehr gut vorbereitet und vor allem an Hintergründen interessiert.“

 

Also sind Sie gar nicht so unzufrieden mit uns Journalisten?

In der Regel bin ich sogar sehr zufrieden! Vor allem muss ich sagen: Gerade die ausländischen Journalisten, die mich befragt haben, sozusagen von amerikanischen Kollegen bis zu Al Jazeera, die waren gut vorbereitet und vor allem an Hintergründen sehr interessiert. Und so hatten wir auch intellektuell sehr befriedigende Gespräche.

Werden Sie häufiger von Fragen überrascht?

Na ja, gerade wenn ein Phänomen neu auftritt, gibt es natürlich Fragen, über die man selber noch nicht nachgedacht hat. Es ist ja nicht so, dass man ein Thema erst einmal reiflich durchdacht hat, und dann merken das die Journalisten und rufen an.

Das heißt, beim Experten muss die Einschätzung erst reifen?

Ja. Nehmen wir als fiktiven Beispielsfall: Vor einer deutschen Botschaft irgendwo auf der Welt explodiert eine Bombe, und fünf Minuten später meldet sich ein Journalist und fragt, was man davon hält. Das ist schon eine Herausforderung, denn oft hat man ja noch nicht einmal für sich selbst die Fakten zusammengetragen! In einer solchen Lage hängt, nächst einer halbwegs zutreffenden Faktenkenntnis, alles davon ab, ob man als Experte eine zugleich klare und komplexe „geistige Landkarte“ besitzt, in die man das Neue sozusagen einzeichnen und mit bereits Bekanntem in Beziehung setzen kann. Ist das gegeben, so gelingt rasch ein halbwegs angemessenes Verständnis, und das kann man dann zum Nutzen von Zuhörern oder Zuschauern mit ihnen teilen.

Wie schnell können Sie dieses Verständnis liefern?

Irgendetwas halbwegs Sinnvolles meist auf der Stelle, angemessen Komplexes dann, wenn ich auch die Einschätzungen anderer gehört habe. Manchmal erwarten Journalisten tatsächlich, dass man – wie freilich sie selbst es auch tun müssen – einen Sachverhalt quasi live kommentiert. Das war beispielsweise bei der Rücktrittsrede von Bundespräsident Wulff so. Da habe ich im Fernsehen zugehört und gleich im Anschluss ein Telefoninterview gegeben. Bei komplexeren Themen bitte ich aber um einen gewissen zeitlichen Vorlauf vor dem Interview, damit meine Aussagen wirklich analytischen Mehrwert haben können. Gerade promptes Einordnen-Können politischer Vorgänge ist im Übrigen die spezifische Kompetenz eines Politikwissenschaftlers.

Medien führen nun auch viele Interviews, um das Phänomen Pegida einordnen zu lassen. Ist das Interview dafür eine geeignete Darstellungsform?

Ja, natürlich! Ein auch politisch relevantes Massenpublikum erreichen wir doch nur über Fernsehen und Hörfunk. Interviews sind da sehr geeignet, um etwas zu vermitteln, das über die Banalitäten von Smalltalk und Stammtischgerede hinausgeht. Allerdings muss man sich als differenzierungsgewohnter Wissenschaftler schon auch eine Haltung irgendwo zwischen Verwegenheit und Mut aneignen, um innerlich bereit zu sein, selbst über schwierige Dinge so klar zu formulieren, dass auch ein normales, nur nebenbei zuhörendes Publikum das Gemeinte versteht. Und dabei muss man auch immer wieder nachsichtig mit sich selbst sein, wenn man bisweilen über das Ziel hinausschießt oder einen nicht ganz perfekten Akzent setzt. Denn es ist für einen interviewten Experten besser, etwas gleichsam „zur Kenntlichkeit zu entstellen“, als vor lauter differenzierender Vorsicht überhaupt nichts Klares mehr zu sagen.

 

„Ich lasse mir alles, was zuerst einmal als Text erscheinen soll, grundsätzlich vor der Veröffentlichung vorlegen.“

 

Das gilt auch für Interviews in der Zeitung?

Im Grunde ja. Doch im Printbereich kann man ja seinen Text noch einmal überdenken und unklare, zweideutige, also missratene, Formulierungen korrigieren. Deshalb lasse ich mir alles, was zuerst einmal als Text erscheinen soll, grundsätzlich vor der Veröffentlichung vorlegen – selbst wörtliche Zitate, die in Artikel eingebaut werden sollen. Ich redigiere das alles sehr aufmerksam, nicht zuletzt, weil Print- und online-Medien eine längere Halbwertszeit haben als das, was sich im Fernsehen oder Rundfunk meist rasch versendet. Außerdem will ich, dass exakt das wiedergegeben wird, was ich wirklich sagen will. Das hat im Übrigen nichts mit Misstrauen gegenüber Journalisten zu tun, sondern mit den praktischen Umständen einer Verschriftlichung von Interviews. Manche Journalisten schreiben etwa am Telefon mit; da geht bei meiner Sprechgeschwindigkeit natürlich viel verloren. Und wenn Journalisten mitschneiden, dann können sie doch auch nicht alles Gesagte drucken, müssen beim Verschriftlichen also Redundanzen beseitigen und Aussagen zusammenfassen, und dabei kommt natürlich – bei allem guten Willen – selektive Aufmerksamkeit mit ins Spiel.

Selektive Aufmerksamkeit prägt vielleicht auch die Fragen selbst. Werden Sie häufig tendenziös, in eine gewisse Richtung befragt?

Ab und zu, doch nicht häufig. Nehmen wir das Beispiel Pegida. Da haben sich die Journalisten natürlich auch selbst ein Bild bemacht und haben oft eine eigene Meinung ausgeprägt, von der sie am liebsten erfahren, dass sie stimmt. Wenn ich nun als „befragter Experte“ etwas sage, das von diesem Bild abweicht, kommt es natürlich zum Nachhaken: Will ich wirklich etwas behaupten, was zu den Einschätzungen des Journalisten querliegt oder ihnen gar widerspricht? Ab und zu glauben die Interviewer dann zunächst gar nicht, dass ich das, was für sie unerwartet kam, wirklich sagen will. Und fairerweise fragen sie dann nach.

Wie sieht das beim Thema Pegida aus?

Da habe ich schon ziemlich am Anfang der Demonstrationen klar gesagt: Die Dresdner Pegidisten, das ist keine Horde von Rechtsextremisten und Faschisten, sondern das sind überwiegend ganz normale Leute! Die anfängliche Wahrnehmung vieler Journalisten hingegen war: Wenn Pegida schon nicht nur aus Rechtsradikalen besteht, dann laufen anscheinend normale Leute als verführte Esel hinter mehr oder minder genialen rechtsradikalen Strippenziehern her! Und als ich das dann klar bestritt, da kamen eben ungläubige Nachfragen, ob ich mir da wirklich sicher wäre.

Sollten Sie in die Ecke gedrängt werden?

Den Eindruck hatte ich nicht. Es war eher ein sorgfältiges Abklopfen, ob ich wirklich steif und fest an meinen Aussagen festhielte. Und das geht natürlich in Ordnung. Auch sind gerade überraschende Formulierungen oft genug beim ersten Mal noch nicht präzise oder eindeutig genug.

 

„Ein Einwurf eines Journalisten wie ‚Habe ich Sie richtig verstanden, dass…‘ ist eine willkommene Chance, den Gedankengang nun sozusagen ‚ins Reine‘ zu sprechen.“

 

Nachfragen ist also erwünscht?

Ja. Oft hilft mir das Nachfragen ja auch selbst – gerade bei Beobachtungen, die ich noch nie in ein systematisches Argument eingefügt habe. Da experimentiert man bei seinen Formulierungen, und zwar unter Adrenalin bei Live-Interviews in Funk und Fernsehen, entspannt beim Gespräch mit Printjournalisten. In beiden Fällen aber ist der Einwurf eines Journalisten wie „Habe ich Sie richtig verstanden, dass…“ eine willkommene Chance, den Gedankengang nun sozusagen „ins Reine“ zu sprechen. Zum Spiel gehört aber auch, dass ich als befragter Experte zugebe, wenn ich bei einer Einschätzung unsicher bin oder den Eindruck habe, eine zwar plausible, aber vielleicht eben doch nicht wirklich stichhaltige Hypothese zu vertreten. Andernfalls verhält man sich wie ein  Dampfplauderer und wird dann, zu Recht, nicht mehr gefragt – zumal dann, wenn sich die erfragte Experteneinschätzung eben doch als falsch erweist. Wenn man umgekehrt etwas bislang Unglaubliches behauptet und dies sich als richtig herausstellt, dann steigen Ansehen und Autorität. Das ist dann auch der faire Lohn für Analytikermut.

Wie bei Ihnen bei Pegida.

Tatsächlich hat die Mehrheit von Journalisten, Politikern und Kollegen zunächst anderes vermutet und behauptet, als ich meinte, feststellen zu können. Doch ein Großteil, vielleicht allmählich sogar die Mehrheit, der Journalisten hat seine Einschätzung auf das hin korrigiert, was mir von Anfang an der Fall zu sein schien.

Zu Pegida erschien auch ein Zeitungsinterview mit Ihnen, das nie stattgefunden hatte. Was ist da passiert?

Die Fuldaer Zeitung hatte mich, ohne Anspruch auf exklusive Verwertung, um einen Artikel über Pegida gebeten. Den habe ich, leichter Lesbarkeit willen, so geschrieben, dass jeder Absatz mit einer rhetorische Frage begann, die anschließend beantwortet wurde. In genau dieser Form erschien der Text dann auch. Weil ich meinte, in Sachsen würde Pegida noch mehr interessieren als in Hessen, habe ich den Artikel anschließend auch einer in unserem Bundesland erscheinenden Zeitung angeboten. Die nahm ihn dankend an. Einige Tage später kamen dann wütende E-Mails mit der Frage, ob mich jemand bestochen habe – denn in der Zeitung stünde etwas ganz anderes, als ich sonst immer in den Medien gesagt hätte.

Was war bei den Zeitungen in Sachsen passiert?

Dort war einfach die stilistische Form mit meinen rhetorischen Fragen optisch wie ein Interview präsentiert worden. Das führte zu einem ganz unglücklichen Anfang. Die erste „Interviewfrage“ lautete nämlich, ganz wie in meinem Text: „Was ist Pegida?“ Die Antwort war in etwa: „Ein faschistischer Haufen“. In meinem Text ging es dann weiter mit: „Wirklich?“ – und dann folgte jene Erklärung, auf die es mir ankam. Doch gedruckt als Interview wirkte mein Stilmittel nun völlig anders. Da behauptete ich – ganz anders als je zuvor – wie alle anderen, Pegida bestehe aus Faschisten; anschließend trat mir ein kluger Journalist entgegen und hinterfragte solchen Unsinn; und daraufhin musste sich dieser Trottel von Patzelt korrigieren. Wer, von den Anfangsantworten erbost, nun nicht weiterlas, musste sich also sehr wundern.

 

„Ich habe mich beschwert. Als offizielle Reaktion erntete ich Unverständnis.“

 

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich habe mich beschwert. Als offizielle Reaktion erntete ich Unverständnis: Schließlich sei doch nur mein Text gedruckt worden; und aus dem Kontext wäre hervorgegangen, dass es sich nicht um ein Interview handele. Viele Leser haben das aber anders wahrgenommen, weil der Anfang in einer interviewartigen Formatierung nun einmal sinnentstellend wirkte. Ob dabei eher  journalistische Unachtsamkeit oder böse Absicht im Spiel war, das lasse ich offen. Ich bin dem gar nicht weiter nachgegangen, denn nur wer selbst nie Fehler macht, sollte sich bei Fehlern anderer aufspielen.

Stand denn ein Interviewführender drunter?

Nein, und so hat die Redaktion ja auch argumentiert: Für jeden sei ersichtlich, dass es sich um kein Interview handeln könne, wenn kein Redakteur als Interviewer angegeben ist. Aber anscheinend haben die Kollegen nicht mit dem normalen Leser gerechnet, der das, was optisch als Interview einherkommt, auch für ein Interview nimmt – und sich womöglich über die erste Antwort so aufregt, dass er gar nicht weiterliest.

Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit der Verschriftlichung von Interviews, die wirklich geführt wurden?

So gut wie immer positiv. Schauen Sie, wenn ich ein Radio- oder Fernsehinterview mache, dann weiß ich, dass ich kurz und pointiert formulieren muss und es kein Zurück mehr vom Gesagten gibt. Bei Printjournalisten aber verplaudert man sich leicht. Im Bemühen um differenzierte, Komplexes auch komplex abhandelnde Antworten sagt mehr, als dann wirklich gedruckt werden kann. Und im Fortgang des Gesprächs schiebt man dann immer wieder Informationen zu vorherigen Fragen nach oder rückt vermeintlich Überzogenes zurecht. Es ist klar, dass ein Journalist in einen solchen Textbestand gestaltend eingreifen muss.

Wie frei ist der Journalist, etwa beim Einbauen nie gestellter Fragen?

Das empfinde ich als ganz unproblematisch, wenn es darum geht, etwa das Textmaterial einer langen Antwort aufzugliedern oder einen argumentativen Spannungsbogen auch für den Leser offensichtlich zu machen. Wichtig ist nur, dass der von mir gemeinte Sinn klarstmöglich überkommt. Wenn ich dann meinerseits merke, dass ich etwas unvollständig, unpräzise oder überzogen formuliert habe, oder wenn ich sehe, dass ich für meine Argumentation bzw. deren korrekte Interpretation Wichtiges vergessen habe, dann korrigiere ich eben den mir vorgelegten Text. Natürlich tue ich das mit Rücksicht auf die mögliche Gesamtlänge. Konkret bedeutet das, dass ich an anderer Stelle streiche oder zeichensparend umformuliere.

Reicht bei Ihnen meistens ein Durchgang?

Ja.

 

„Bislang haben die Journalisten und ich unsere Aufgabe immer so verstanden, dass wir gemeinsam ein Produkt erzeugen.“

 

Die Autorisierung ist bei Journalisten ein umstrittenes Thema, weil es einen Eingriff in unsere Arbeit darstellt. Verstehen Sie das?

Wenn ich so redigieren würde, dass hinterher etwas inhaltlich Anderes, ja vielleicht sogar das Gegenteil dessen dasteht, was ich im Interview wirklich gesagt habe, so wäre das höchst unredlich, ja vielleicht sogar ein versuchter Anschlag auf die Pressefreiheit. Zu Recht würde ein Journalist mit Selbstachtung so ein Interview dann auch gar nicht mehr drucken. Doch ich habe da wirklich gute Erfahrungen gemacht. Bislang haben nämlich die Journalisten und ich unsere Aufgabe immer so verstanden, dass wir gemeinsam ein Produkt erzeugen, zu dem wir beide beitragen: der eine mit seinen Fragen, der andere mit möglichst gut und klar formulierten Antworten. Genau unter solchen Umständen bekommt der Leser dann auch ein wirklich informatives, vielleicht sogar unterhaltsames Expertengespräch.

Zum Abschluss noch die Bitte um einen Tipp für Kollegen, die Sie zum Thema Pegida interviewen. Wie können die Ihnen etwas Originelles entlocken, obwohl Sie am Tag zehn Interviews geben?

Vorab: Zehn Interviews am Tag sind eine seltene Ausnahme. Und nun zur Sache: Wenn man mich zu Dingen fragt, zu denen ich vorher nie gefragt worden bin, kann ich eine persönlich originelle Antwort doch gar nicht vermeiden, denn dann habe ich ja keine Antwortvorlage im Sinn.

Haben Sie ein Beispiel aus jüngster Zeit?

Ja, ein Gespräch mit einem Journalisten von Al Jazeera. Der fragte mich, wie ausgeprägt denn bei den Pegida-Leuten ihr Verständnis von Religion wäre. Da fiel mir wie Schuppen von den Augen, dass die so oft diskutierte Islamkritik in Wirklichkeit eine Kritik an der politischen Rolle von Religion ist – und dass das Christentum nur deshalb nicht ins Visier kommt, weil in Ostdeutschland ohnehin niemand mehr das Christentum ernstnimmt. Den Islam aber schon, weil ihn eben auch viele Muslime sehr ernst nehmen, und darunter eben etliche zornige junge Männer. So entstand, zunächst ins Unreine formuliert, eine recht originelle Antwort, die ich dann auch in spätere Gespräche immer wieder an passender Stelle eingebaut habe. Obendrein ist daraus inzwischen auch ein sehr wichtiges Element meiner Interpretation von Pegida geworden.

Fazit: Ein Interview hat Ihnen Erkenntnis gebracht.

Ja, eine Interviewfrage hat mir zu einer neuen Erkenntnis verholfen, und das war gut so. Interviews können also gerade auch bei den befragten Experten Lernprozesse auslösen – und das ist einer der Gründe, warum ich so gerne Interviews gebe.

Prof. Werner Patzelt, vielen Dank für das Gespräch.

* Tim Farin ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.