kurz & knackig mit Ralf Drescher, Chefredakteur von WJS.de
„Präzise Fragen verringern die Gefahr geschwafelter Antworten.“
Ralf Drescher ist Chefredakteur der deutschen Onlineausgabe des Wall Street Journal und der Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires Deutschland. Hier beantwortet er kurz & knackig Fragen über Interviews, Interviewer und Interviewte
Im Oktober 2014
Alles über Interviews: Ralf, was reizt Sie daran, Interviews zu führen?
Ralf Drescher: Das Interview ist eine der intensivsten Formen des Journalismus. Die unmittelbare Interaktion mit dem Gegenüber macht seinen großen Reiz aus. Interviews sind authentisch, ungefiltert, spontan und erfordern gleichzeitig eine gute Strategie.
An welches Ihrer Interviews denken Sie am liebsten zurück?
In meinen ersten Wochen als Volontär an der Journalistenschule habe ich 2002 mit zwei Mit-Volontären den damaligenWestLB-Chef Sengera interviewt. Damals ging unsere Gesprächstaktik perfekt auf: Er hat uns unterschätzt und Dinge verraten, die er hinterher nicht mehr einfangen konnte.
Welches Interview haben Sie mal richtig versemmelt?
Ich kann mich an kein wirklich schlechtes Interview erinnern. Einmal habe ich den Investor Jim Rogers gesprochen, der über Jahre immer die gleiche Botschaft verkündete. Mein Ziel war, ihm etwas Neues zu entlocken. Daran bin ich gescheitert.
Wann finden Sie Interviews schlecht?
Mich nerven unkritische Interviews, in denen Journalisten dem Gegenüber als Sparringspartner die Bälle zuspielen, statt seine Aussagen zu hinterfragen. Viele Gespräche sind zudem schlecht strukturiert, springen ohne roten Faden von Thema zu Thema.
Was ist für Sie das Wichtigste bei der Interviewvorbereitung?
Wie fast immer im Journalismus: Recherche. Ich muss wissen, wer mir gegenübersitzt und sicher in den Themen sein, die besprochen werden. Wichtig ist auch, dass ich ein Ziel habe, wohin das Interview führen soll – und einen Plan, wie ich dahin komme.
Haben Sie einen Tipp fürs Warm up vor dem Interview?
Wichtig ist es, eine lockere Atmosphäre zu schaffen, in der sich der Interviewte wohlfühlt. Small Talk hilft, aber bitte nicht über das Wetter, sondern über Themen, die auch das Interview behandeln wird. Das erleichtert den Einstieg ins Gespräch.
Worauf kommt es beim Fragen besonders an?
Präzise Fragen verringern die Gefahr geschwafelter Antworten. Ein guter Interviewer hakt nach, wenn er keine Antwort erhält. Und: Ein Interview ist Interaktion, es folgt keinem Skript. Wer stur am Fragenkatalog festhält, verpasst tolle Chancen.
Gehört die Autorisierung von Interviewtexten abgeschafft?
Eine sachliche oder juristische Prüfung ist okay. Werden Aussagen nachträglich gestrichen oder verfälscht, ist das nicht hinnehmbar. Journalisten sollten ihre Regeln klar kommunizieren und verteidigen – und notfalls auch das Interview opfern.
Welches Interviewformat in Deutschland gefällt Ihnen am besten?
Antwort: Ich mag das viel zu selten benutzte Format, bei dem das Frage-Antwort-Spiel durch längere Textblöcke unterbrochen wird. Mit dieser Variante lassen sich nicht nur mehr Informationen vermitteln, sondern auch spannende Text-Dramaturgien aufbauen.
Wen würden Sie gerne einmal interviewen?
US-Investor Warren Buffett.
Sie können der Pressesprecherzunft jetzt bis zu drei Fragen zum Thema Interview stellen.
Was sind für Sie die entscheidenden Kriterien bei der Entscheidung, wer wann ein Interview bekommt? Und: Einige Unternehmen bieten druckfertige Interviews zur Veröffentlichung an. Machen Sie das auch und warum oder warum nicht?
Vielen Dank!
Ralf Drescher Bevor er im Oktober 2013 Chefredakteur von wsj.de und Dow Jones Newswires wurde, war er Redaktionsleiter des Wall Street Journal Deutschland. Dorthin kam er von der Wirtschaftszeitung Handelsblatt, wo er das Ressort Finanzen online verantwortete. Davor war er Finanzkorrespondent und Blattmacher beim Handelsblatt. 2002/2003 absolvierte er die Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten der Verlagsgruppe Handelsblatt.
kurz & knackig Für die „Alles über Interviews“ – Serie beantworten Journalisten, Blogger, Volontäre, Studenten, Interviewte und Kommunikationsverantwortliche von Unternehmen und anderen Organisationen in loser Folge einen Fragebogen zum Thema Interview. Die elf Antworten sollen jeweils höchstens 250 Zeichen lang sein.