Reporterpreis-Gewinner Bastian Berbner im Interview

„Diese Geschichte musste ich einfach erzählen“

Fast zwei Jahre lang buhlte der ZEIT-Autor Bastian Berbner darum, einen ehemaligen US-Gefangenen der Nusra-Front interviewen zu dürfen. Letztlich interviewte er auch dessen Zellengenossen – und thematisierte ihr Beziehungsdrama im Terroristenknast. Berbners Lohn war neben dem ZEIT-Honorar der Reporterpreis für das „Beste Interview“ 2015, obwohl sein(e) Interview(s) ohne Fragen erschienen. Im Interview erzählt der Preisträger die Geschichte hinter seinem Gewinnertext.

Von Mario Müller-Dofel*, im Februar 2016

Im vorigen Dezember hat Bastian Berbner den Reporterpreis für das „Beste Interview“ in einem deutschen Medium im Jahr 2015 gewonnen. Der 31-Jährige Absolvent der Deutschen Journalistenschule hatte im Sommer des vergangenen Jahres zwei US-Amerikaner interviewt: Der eine, Theo Padnos (46), war in Syrien, um Zeitungsartikel zu recherchieren. Der andere,  Matthew Schrier (37), war ebenfalls in Syrien – um Kriegsfotos zu knipsen.

Schrier und Padnos gerieten zu verschiedenen Zeitpunkten in die Gefangenschaft der Al-Nusra-Front, einem Al-Kaida-Ableger. Sie wurden in ein und dieselbe Gefängniszelle geworfen, monatelang gefoltert und mit dem Tode bedroht. Letztlich kamen sie auf dramatische, aber ganz unterschiedliche Weise frei.

Reporterpreis - Bastian Berbner
Bastian Berbner: “Wenn mir jemand etwas im Hintergrund erzählt, halte ich mich daran.” (Foto: Privat)

Doch nicht Krieg, Folter und Flucht stellte Berbner in den Mittelpunkt seiner Interviews, sondern die von Hass geprägte Beziehung der beiden. Die Reporterpreis Jury lobte „die durchdachte Dramaturgie und die gelungene Verzahnung der beiden Perspektiven“ als „eine gelungene Ausweitung des Interview-Genres“.

Der Text mit dem Titel „Die Hölle, das sind die anderen“ ist nicht nur wegen der fehlenden Interviewfragen außergewöhnlich. Bastian Berbner hat die Chance genutzt, ins – wie er es nennt – „Innere zweier Menschen in einer Extremsituation zu schauen, auf ihre Persönlichkeiten, auf die Essenz ihrer Charaktere“. Wer diesen Einblick erleben will, muss den Text lesen.

Wie immer auf diesem Portal dreht sich auch das Interview mit Bastian Berbner um handwerkliche Details und journalistische Arbeits- und Denkweisen. Im Gespräch mit Mario Müller-Dofel* verrät der Preisträger, warum er sich mitunter Jahre lang um bestimmte Interviewpartner bemüht, weshalb er stundenlange Interviews mit ihnen oft wortwörtlich abschreibt, warum er Printinterviews ohne Fragebogen bestreitet und worauf es ihm viel mehr ankommt.

 

„Normalerweise verzichte ich auf Fragebögen“

 

Mario Müller-Dofel: Herr Berbner, wie kamen Sie auf die Idee, die leidgeprüften und miteinander rivalisierenden Matthew Schrier und Theo Padnos zu interviewen?

Bastian Berbner: Zunächst ging es mir nur um Matthew Schrier. Im Sommer 2013 hatte ich in der New York Times gelesen, dass es ihm gelungen war, aus einem Nusra-Gefängnis in Aleppo zu fliehen. Daraufhin habe ich mir seine Mailadresse besorgt und ihn kontaktiert. Ich hoffte, er würde mir Spannendes über die Nusra-Front erzählen, über die ich ohnehin recherchierte.

Wie gesprächig war er nach Ihrer Kontaktaufnahme?

Er antwortete nicht. Ich versuchte es weiter, bis ich im April 2015 plötzlich doch eine E-Mail von ihm in meinem Postfach hatte, obwohl mein bis dahin letzter Kontaktversuch schon einige Wochen her war. Da war klar: Er wollte reden.

Warum nun doch nach über anderthalb Jahren?

Einige Zeit nach Schrier war sein Zellengenosse Padnos freigekommen. Gerade hatte er im New York Times Magazine eine lange Geschichte über sein Martyrium geschrieben und in Europa erste TV-Interviews gegeben. Schrier dagegen hatte eine andere Version der Geschichte und wollte sie dagegenhalten. So schrieb er schon in seiner ersten Mail an mich, man müsse vorsichtig mit Padnos sein, denn der lüge öffentlich.

Buhlen Sie immer mehr als anderthalb Jahre um Ihre Gesprächspartner?

Jede größere Geschichte, die ich bislang gemacht habe, hat mehrere Kontaktversuche gebraucht. Ende März erscheint eine Geschichte von mir in der ZEIT, an der ich drei Jahre gearbeitet habe. Der Protagonist hat knapp zwei Jahre gebraucht, ehe er zu mir gesagt hat: Okay, ich vertraue dir. Für manche Geschichten lohnt sich die Zeit.

Ihre Aleppo-Protagonisten Schrier und Padnos haben Sie ebenfalls in die ZEIT gebracht. Dort haben Sie aber nicht den Krieg, die Folter, die Todesängste und die Flucht der beiden in den Mittelpunkt gestellt, obwohl diese Themen auf der Hand lagen, sondern den Hass der beiden aufeinander und dessen Entstehung. Wie kamen Sie auf diesen Dreh?

Der kam praktisch mit voller Kraft auf mich zu, als ich zum ersten Mal mit Matthew Schrier sprach. Das war kurz nach seiner E-Mail an mich via Skype. Er saß dabei in seiner Wohnung in New York und definierte seine Leidensgeschichte vor allem über die konfliktreiche Beziehung zu Padnos, deren Tragweite der Öffentlichkeit bislang unbekannt war. Padnos hatte ja bislang seine individuelle Leidensgeschichte in Syrien beschrieben und Schrier weitgehend ausgeklammert. In diesem ersten Gespräch mit Schrier wurde mich klar: Ich will diese Beziehung thematisieren, muss dafür aber auch Theo Padnos interviewen.

Sie haben ein Faible für zwischenmenschliche Konflikte?

Durchaus. Und das finde ich urjournalistisch. Menschen, die an ihre Grenzen kommen, sind der Kern vieler guter Interviews, Reportagen und Portraits. Hier hatte ich ein menschliches Drama unter dem Brennglas; die Chance, während einer Extremsituation ins Innere zweier Menschen zu schauen, auf die Essenz ihrer Charaktere – ein journalistisches Geschenk.

 

„Wenn er das Gefühl bekommt, es wird verletzt, kann er ziemlich rüde, manchmal sogar aggressiv werden.“

 

Wie war Schrier im Anbahnungsgespräch? Ihr ZEIT-Text lässt auf einen groben Menschen schließen.

Bevor ich ihn in New York besuchte, hatten wir weitere Skype-Gespräche und einen intensiven E-Mail-Austausch – alles off the record. Schon da zeigte sich, dass er ein Mensch mit hohem Gerechtigkeitsbedürfnis ist. Und wenn er das Gefühl bekommt, es wird verletzt, kann er ziemlich rüde, manchmal sogar aggressiv werden. Das macht es nicht ganz leicht mit ihm zu sprechen.

Was hat sein Gerechtigkeitsempfinden in den Gesprächen mit Ihnen gestört?

Das hatte gar nichts mit mir zu tun. Ihm ging es vor allem um Theo Padnos. Schrier erzählte mir, Padnos habe ihm schon am ersten gemeinsamen Tag im Nusra-Gefängnis erzählt, dass er nach Syrien gekommen war, um über den US-Journalisten Austin Tice zu schreiben, der im August 2012 in Syrien gekidnappt wurde und seither als verschollen gilt. Schrier hat Padnos als jemanden empfunden, der aus dem Schicksal des Kollegen Profit schlagen wolle. Und so etwas tue man nicht.

Wie lautet Padnos‘ Version?

Dass Tice nur ein Aspekt seiner Syrien-Reise gewesen sei. Darüber hinaus wollte er zum Beispiel über die Konflikte zwischen religiösen Gruppen schreiben. Aber das kauft ihm Schrier wegen der Bemerkung zu Austin Tice nicht ab.

Und Sie?

Ich glaube Padnos. Sein Interesse am Schicksal von Tice schließt ja das Interesse an den religiösen Konflikten nicht aus, zumal Padnos schon häufiger darüber geschrieben hat.

Die Headline über Ihrem ZEIT-Interview lautet „Die Hölle, das ist der andere“. Das erinnert an den französischen Schriftsteller Jean-Paul Sartre.

Nach meinem ersten Skype-Gespräch mit Schrier hab‘ ich gedacht: Das ist ja wie Sartres Drama “Huis clos“, nur in real! In diesem Theaterstück geht es um drei Menschen, die sich gemeinsam in einem Raum befinden und merken, dass die anderen die Hölle sind! Sartres berühmter Satz heißt: Die Hölle, das sind die Anderen. Schriers und Padnos waren sogar einige Zeit ebenfalls zu dritt in der Nusra-Zelle – mit einem Marokkaner. Diese Geschichte musste ich einfach erzählen.

Um zunächst Schrier zu interviewen, haben Sie ihn in New York besucht. Welche Rahmenbedingungen galten da?

Keine, weil noch immer unklar war, wie viel er wirklich öffentlich sagen wird.

Wer übernahm das Reisekostenrisiko? Sie – als junger, freier Journalist?

Nein, die ZEIT hat’s übernommen.

Glückwunsch. Das würden sich andere Freelancer auch wünschen. Wie haben Sie der ZEIT Ihre Reise ohne Interviewgarantie verkauft?

Ich war sehr zuversichtlich, dass Schrier reden wird. Ich spürte ja schon am Telefon, dass er seine Geschichte erzählen will. Meine Erfahrung ist, dass es nicht besonders schwer ist, eine Geschichte an eine Redaktion zu verkaufen, wenn sie gut ist und zur Redaktion passt.

Wie hat sich Schrier überzeugen lassen, Ihnen ein offizielles Interview zu geben?

Nachdem wir einen gemeinsamen Tag verbracht haben, sagte er: Okay, ich erzähle dir jetzt alles, was ich weiß. Aber du darfst nicht alles veröffentlichen.

Warum nicht?

Weil er bereit war, mir auch sehr viel Persönliches zu erzählen, das lediglich meinem Verständnis dienen sollte.

Und Sie? Journalisten sind doch immer für „Gesagt ist gesagt“?

Wenn mir jemand etwas im Hintergrund erzählt, halte ich mich daran.

Haben Sie ihm verraten, dass Sie auch Padnos befragen würden?

Ja, da war ich transparent. Ich musste Schriers Geschichte ja bestmöglich prüfen. Und das ging nur, indem ich Padnos damit konfrontierte – und andersherum.

Padnos hat aber nicht anderthalb Jahre für seine Interviewzusage gebraucht.

Bei ihm hat es zum Glück schon mit dem Erstkontakt geklappt. Wir haben uns in Paris getroffen, das Setting war ähnlich wie in New York: zwei Tage mit insgesamt sechs, sieben Stunden Gespräch.

Wow. Nehmen sich Ihre Interviewpartner immer so viel Zeit für Sie?

Mal mehr, mal weniger. In jedem Fall achte ich darauf, dass ihnen von vorn herein der Zeitaufwand klar ist. Gerade wenn ich für ein Gespräch ins Ausland reise, ist ein Plausch im Café oft zu wenig. Das müssen sie wissen. Das schreibe ich meistens schon in die Interviewanfrage.

Was gehört ansonsten in eine gescheite Interviewanfrage?

Ich glaube, dass den Angefragten vor allem deutlich werden muss, dass sich der Journalist wirklich für ihre Geschichten interessiert und sich in den Kernthemen schon ganz gut auskennt.

 

„Da versucht man natürlich die Fläche etwas prominent zu machen.“

 

Und wie vermitteln Sie diesen Eindruck?

Wenn ich Gesprächspartner im Ausland – wie Schrier und Padnos adressiere –, erkläre ich zum Beispiel etwas mehr über das Medium und das Ressort, wo die die Geschichte erscheinen soll. Da versucht man natürlich die Fläche etwas prominent zu machen. Manchmal hilft es auch, themenverwandte Beiträge einzuweben, die man schon gemacht hat. So nach dem Motto: „Wie ich bei meiner letzten Recherchereise in der Südtürkei erfahren habe …“ Persönliche Empfehlungen können ebenfalls nützen.

Ein Beispiel?

Im Jahr 2013 habe ich einen Mann interviewt, der in den 1990-er Jahren Sicherheitschef eines der größten Kokainkartelle in Kolumbien war, ausgestiegen ist und seither unter amerikanischem Zeugenschutz in den USA lebt. An ihn kam ich nur deshalb ran, weil wir einen gemeinsamen Bekannten haben, einen US-Journalisten, der für mich gebürgt hat.

Sie sind 31 Jahre jung, haben die Deutsche Journalistenschule erst vor vier Jahren abgeschlossen. Viele junge Journalisten meinen, ihr Alter wäre gerade gegenüber älteren Gesprächspartnern ein Manko.

Das habe ich nie so empfunden. Mein Eindruck ist, dass das Alter keine Rolle spielt, wenn der Interviewpartner sieht, dass ich ihn und seine Geschichte mit Leidenschaft und Professionalität angehe.

Zurück zu Schrier und Padnos. Für Ihre stundenlangen Gespräche hatten Sie wahrscheinlich lange Fragebögen im Gepäck.

Nee, normalerweise verzichte ich auf Fragebögen. Außer ich führe konfrontative Interviews, vor allem fürs Fernsehen und Radio.

Was ist bei diesen Interviews anders als für Print?

Da muss jede Frage sitzen, sonst ist das oft nicht sendbar. Also schreibe ich sie mir wortwörtlich auf.

Sie haben Schriers und Padnos also ohne Fragenzettel interviewt?

Richtig. Für Print habe ich meist nur Themenfelder dabei, die ich abarbeiten möchte. Und dann frage ich einfach so lange nach, bis ich es verstanden habe. Ganz simpel.

Warum formulieren Sie vorab keine konkreten Fragen?

Weil ich das Gefühl habe, mich ohne Fragenzettel besser auf meine Gesprächspartner konzentrieren zu können. Ansonsten würde ich vielleicht eher den Fragenzettel abarbeiten und weniger auf den Befragten eingehen.

Wenn es unter Journalisten um Interviews geht, ist häufig von der Fragestrategie die Rede. Was bedeutet dieses Wort für Sie?

Für mich ist das eher intuitiv.

Andere Journalisten lassen sich sogar darin schulen.

Bei Schrier und Padnos zum Beispiel brauchte ich keine besondere Strategie. Die beiden waren offene, sehr gute Storyteller. Die brauchte ich nur antippen – und schon ging’s los. Ich konnte mich da sehr zurücknehmen. Wichtiger als eine bestimmte Fragetechnik war die gute Gesprächsatmosphäre, die wiederum vor allem am gegenseitigen Vertrauen hing.

Sie werden doch auch mal herausfordernde Situationen zu meistern haben.

(Überlegt) Manchmal reißen Interviewte eine bestimmte Situation an, der sie kaum Bedeutung beimessen, aber ich sofort denke: Diese Szene brauche ich unbedingt! Für den Einstieg oder so … Um die Szene verwenden zu können, brauche ich aber viel mehr Informationen dazu. Dann muss ich sehr detailliert nachfragen: Welche Farbe hatte die Wand? Wie bröselig war die Mauer? Was hatten andere Gefangene an die Wand geschrieben. Und in welcher Farbe? Wie dick waren die Abflussrohre, die unter der Decke langliefen? Hatte der Dritte in der Zelle die Schussverletzung am linken oder im rechten Bein? Und so weiter. Das kann manchmal ein bisschen schwierig werden, weil die Gesprächspartner glauben, man hält sich zu lange mit Irrelevantem auf.

Was machen Sie, wenn einer ungeduldig wird?

Manchmal erkläre ich, warum ich so detailliert nachhake. Manchmal höre ich zunächst auf und komme am Ende des Gesprächs wieder darauf zurück.

Nach den Interviews mussten Sie die stundenlangen Aufnahmen verschriftlichen. Wie sind Sie vorgegangen?

Ich habe die Interviews erstmal abgeschrieben.

Eigenhändig? Es waren immerhin mehr als zehn Stunden Gesprächsaufnahmen, aus denen in der ZEIT ein Lesetext mit 38.000 Zeichen wurde, der in 20 Minuten zu schaffen ist.

Ja. Ich schreibe meine Gespräche meist eigenhändig ab, weil ich sie dann nochmal erlebe. Dabei fallen einem manchmal Dinge auf, die im Gespräch an einem vorbeigegangen sind.

Schreiben Sie die kompletten Gespräche ab?

Kommt drauf an. Ich tendiere dazu, möglichst vollständig zu transkribieren. Von den sechs, sieben Stunden mit Schrier waren sicher zwei Stunden hitzige Diskussionen dabei, die uninteressant für die Leser sind. Die und manches mehr habe ich ausgelassen.

Wie lang waren die Transkripte der Gespräche mit Schrier und Padnos?

Das Transkript mit Schrier hat 156.000 Zeichen, das mit Padnos 86.700 Zeichen. Bei Padnos habe ich wesentlich weniger abgeschrieben, weil es das zweite Gespräch war und ich genau wusste, worauf ich hinaus will.

 

„Interviews kürzen ist manchmal eine Qual.“

 

Wie lange haben Sie nach der Transkription gebraucht, bis Sie den Text an die ZEIT geliefert haben?

Alle Arbeitsstunden in Summe ungefähr 30 Stunden.

Fällt es Ihnen leicht, Ihre Interviews zu kürzen?

Manchmal ist es eine Qual. Auch bei diesem Text musste ich mich von einigen Lieblingsepisoden trennen – und trotzdem war er mit 45.000 Zeichen in meiner Lieferversion noch zu lang. Zum Glück gingen mit Tanja Stelzer und Wolfgang Uchatius zwei ausgezeichnete Redakteure ans Werk.

Was schätzen Sie an ihnen besonders?

Dass sie die richtigen Fragen stellen und Texte schneller machen, ohne dem Autor die Stimme zu nehmen. Das ist eine Kunst.

Sie sagten, Sie haben sich in den Gesprächen mit Schrier und Padnos zurückgenommen. Im Text haben Sie dies ebenfalls getan. Das Interview ist ohne Fragen erschienen. Warum?

Weil meine Fragen keinen Mehrwehrt gehabt hätten. Wie gesagt, die beiden sind gute Storyteller, da musste ich nicht mehr viel machen.

Hierzulande werden Interviews von den Interviewten vor dem Druck autorisiert. Wollten auch Schrier und Padnos den Text vorher sehen?

Nein.

Wie bitte? Sie haben stundenlange Gespräche auf 20 bis 25 Minuten Lesezeit eingedampft – und die beiden wollten das, was sie da sagten, nicht nochmal sehen?

Wir waren auch während der Verschriftlichung ständig in Kontakt, um Formulierungen abzustimmen. Ich hatte sie so gut kennengelernt, dass ich wusste, was sie meinen. Und wenn nicht, habe ich nachgefragt.

Haben sie eher gute oder eher schlechte Erfahrung mit der Autorisierungspraxis in Deutschland gemacht?

Dazu kann ich kaum etwas sagen, weil ich viel im Ausland und fürs Fernsehen arbeite. In beiden Fällen wird in der Regel nicht autorisiert.

Als noch recht junger Journalist sind Sie als Reporterpreis-Gewinner nun Nachfolger des erfahrenen Sven Michaelsen geworden. Was bedeutet Ihnen der Preis?

Ich habe mich sehr darüber gefreut, auch weil der Reporterpreis eine Anerkennung der Textform war. Es war kein richtiges Interview und keine Reportage. Ich halte es journalistisch für einen Gewinn, Mischformen zu entwickeln, wenn es die Geschichte hergibt. Das passiert ja auch immer öfter. Ein Preis ist da eine schöne Anerkennung, in diese Richtung weiterzudenken.

Vielen Dank für das Gespräch.

Bastian Berbner (31) hat Politikwissenschaft, Geschichte und Islamwissenschaft studiert. Er arbeitet als freier Journalist in Hamburg, tummelt sich gern im Ausland – vorzugsweise, aber nicht ausschließlich dort, wo Arabisch gesprochen wird. Oft sind seine Geschichten Porträts von Menschen, die einen Schlüssellochblick in eine sonst unzugängliche Welt eröffnen – zum Beispiel in eine Gefängniszelle in Aleppo,, ins Innere eines kolumbianischen Drogenkartells, in den nordkoreanischen Alltag. Bastian Berbner schreibt und dreht. Seine Texte erscheinen unter anderem in der ZEIT, seine Filme zeigt der NDR.

* Mario Müller-Dofel ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.