Planet Interview: Mark Forsters verweigerte Interviewautorisierung mit Nachspiel

Autorisierung Mark-Forster-Planet-Interview

Jakob Buhre über die Dokumentation eines gescheiterten Gesprächs

Wenn man eine Stunde zusammensitzt und hinterher kommt keine Veröffentlichung heraus, dann ist das für Journalisten – und meist auch für die Interviewpartner – enttäuschend. Doch Jakob Buhre vom Internetportal Planet Interview hatte keine Chance, sein Interview mit Mark Forster noch zu retten – der Künstler habe die Autorisierung verweigert und nicht mehr mit sich reden lassen, sagt der Journalist. So sorgte eben der Journalist selbst für Gesprächsstoff.

Von Tim Farin*, im November 2017

Dieses Interview wird man nicht zu lesen bekommen – aber für Wirbel hat es dennoch gesorgt: Jakob Buhre, freier Journalist und Leiter des Internetportals Planet Interview, hatte sich mit dem Musikstar Mark Forster verabredet. Etwa eine Stunde saßen die beiden zusammen. Die Atmosphäre sei “heiter bis wolkig” gewesen, schreibt Buhre. Der gut vorbereitete Journalist hatte mehr vor, als nur Promo-Fragen zu stellen. Im Nachgang verweigerte der prominente Gesprächspartner dem Journalisten die Autorisierung, ließ auch persönlich nicht mehr mit sich verhandeln.

Innovative Textform sorgt für Aufmerksamkeit

Dabei hätte Buhre es belassen können, oder auf den Vorfall aufmerksam machen. Der Journalist entschied sich für die zweite Variante und legte gar noch eine spannende Textform nach: Er kombinierte seine Fragen im Gespräch mit einem dokumentarischen Text, in dem er vor allem der von Jan Böhmermann aufgeworfenen Frage nachgeht, welchen Anteil andere Künstler an den Werken deutscher Popstars, in diesem Fall Mark Forster, haben – und was alles dahintersteckt, wenn Namen in den Credits stehen. Der Text auf Planet Interview hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Wir haben Jakob Buhre per Mail ein paar Fragen gestellt und Antworten bekommen.

Planet Interview - Mark Forster
Klare Sache: Das Planet-Interview-Logo (Foto: Planet Interview)

Tim Farin: Gab es vor dem Gespräch mit Mark Forster für Planet Interview eine Abrede über Inhalte, Leitfragen oder thematische Zielsetzungen?

Jakob Buhre: Ich habe zu Beginn des Gespräches darauf hingewiesen, dass es nicht nur um seine Arbeit, sondern um das Thema Pop-Business generell gehen wird.

Hattest du vor dem Gespräch eine Zielstellung fürs Interview, die du vielleicht kurz umreißen könntest?

Generell ist es ein Ziel für mich, den Interview-Partnern Fragen zu stellen, die noch nicht gefragt wurden. Bei meiner Recherche hatte ich z.B. wenig dazu gefunden, warum Forsters Liedtexte gänzlich unpolitisch sind – also habe ich ihn das gefragt. (Nicht recherchiert bzw. beim Interview-Termin nicht mehr vor Augen gehabt hatte ich seine Ausbildung, daher enthielt das Interview auch Fragen hierzu). Auch die Frage nach einer Pop-Definition fand ich interessant, die haben wir ja auch schon anderen Künstlern gestellt, wie jetzt in der Doku ersichtlich.

Mir war es zudem ein Anliegen, die durch Böhmermann angestoßene Debatte um deutsche Pop-Musik aufzugreifen. In dem Zuge habe ich im Gespräch mit Mark formuliert: “Mir geht es darum, dass man eine Klarheit schafft, wie es heutzutage abläuft, damit manche Leute bei dem Thema (Songwriting/Credits) nicht irgendwelchen Illusionen aufsitzen.” Böhmermanns Anschuldigungen an Max Giesinger waren ja zum Teil spekulativ – denn Böhmermann kann nicht wissen, wie viel Arbeitsanteil die Fremdautoren bei Giesinger tatsächlich haben. An der Stelle hätte ich mit dem Interview gerne zur Aufklärung beigetragen.

Worauf führst du die Reaktion von Mark Forster und seines Managements nach dem Interview zurück?

Diese Reaktion kann verschiedene Gründe haben, da möchte ich jetzt ungern spekulieren. Offensichtlich ist für mich aber, dass man hier unbequemen Fragen nachträglich aus dem Weg gehen wollte.

 

“Die Autorisierung ist kein PR-Instrument, wird aber von wenigen Interview-Partnern als solches missverstanden und missbraucht.”

 

Weswegen hast du dich entschieden, den Vorgang öffentlich zu machen und anstelle eines Interviews eine Recherche zu dokumentieren?

Angenommen, ich hätte das Interview komplett in der Schublade verschwinden lassen, dann hätte das folgende Botschaft gesendet: der Journalist ist bereit, auf all sein Material zu verzichten, wenn man einfach den Autorisierungsriegel davor schiebt. Dafür war die Autorisierung aber nie gedacht. Die Autorisierung ist eine Absicherung für beide Seiten, dass im finalen Text das steht, was der Interview-Partner gesagt bzw. gemeint hat, dass keine Fakten verdreht, keine Formulierungen sinnentstellt und keine Namen falsch geschrieben sind. Dass der Interview-Partner einverstanden ist mit Kürzungen, die man als Journalist vornimmt, damit der Text weder redundant noch überlang ist. Die Autorisierung ist kein PR-Instrument, wird aber von wenigen Interview-Partnern als solches missverstanden und missbraucht. Wenn dieser Fall eintritt, finde ich es angemessen, wenn Journalisten das transparent machen.

Welche Rolle spielt persönliche oder professionelle Enttäuschung, vielleicht sogar Wut bei deiner Veröffentlichung?

Enttäuscht bin ich, klar. Welcher Journalist wäre das nicht, wenn man ihm ein komplettes Interview vernichtet und wenn der Interview-Partner zudem nicht den Anstand hat, die Komplett-Blockade persönlich zu erklären? Aber wütend nicht. Im Gegenteil: bei der Nach-Recherche habe ich ja auch Erkenntnis sammeln können und bin auf kreative Musiker und Texter gestoßen, die ich dann entsprechend würdigen wollte. Die wunderbare Jazz-Band “Rufus Dipper” von Forsters Co-Autor Michael Geldreich zum Beispiel kannte ich vorher noch nicht. Ich kann auch sehr die HipHop-Solo-Alben von Shuko empfehlen. Auch Rapucation, von Beatzarre und Robin Haefs, ist meiner Meinung nach ein tolles Projekt. Oder Daniel Nitts Version von “Bauch und Kopf”…

“Es ging mir nicht um eine Bewertung von Forsters Musik, sondern darum, mehr darüber zu erfahren, wie sie entsteht.”

 

“Wut ist ein guter Antrieb”, das hat mal der Bassist von Jennifer Rostock bei uns gesagt. Für Musiker mag das stimmen, für Journalisten sehe ich da die Gefahr, dass man einseitig wird.

Es gibt jede Menge Kritik an deinem Vorgehen und Verständnis für Forster, wenn man die Kommentare so liest.

Also es gab ja z.B. in einem Facebook-Kommentar den Vorwurf der Einseitigkeit. Dem würde ich widersprechen. Zum Beispiel habe ich irgendwann diesen Facebook-Eintrag von Mark Forster entdeckt, wo er sich dann doch mal politisch geäußert hat, wo er sich gegen Schwulen-Hass positioniert. So etwas habe ich dann ebenfalls im Text untergebracht. Und ich biete in dem Artikel für den Widerspruch “ich schreibe meine Texte selbst vs diverse Textdichter in den Credits” eine andere Lösung an als Böhmermann: eine Lösung, die FÜR Forster sprechen würde, wenn sie denn zutrifft.

Eine andere Kritik lautete: “Ich versteh einfach nicht, warum man sich nicht einfach an der tollen Musik erfreuen kann und stattdessen versucht, einem grandiosen Künstler wie Mark Forster ans Bein zu pinkeln. Niemand hat etwas von so viel negativer Energie.” Dazu muss ich sagen, dass es mir ja nicht um eine Bewertung von Forsters Musik ging, sondern darum, mehr darüber zu erfahren, wie diese Musik entsteht. Es geht nicht darum, jemandem ans Bein zu pinkeln, sondern Dinge transparent zu machen. Und die negative Energie, ehrlich gesagt sehe ich die eher bei Personen, die Journalisten nachträglich kritische Fragen – und damit ihr Handwerk – verbieten wollen.

 

“Wir brauchen kritische Fragen. Nicht ausschließlich, aber auch.”

 

Dann hat offenbar Julian Reichelt bei uns kommentiert “Niemand zwingt Journalisten, ihre Texte vor Veröffentlichung den Interviewpartnern vorzulegen. Wer es trotzdem macht und mimosenhaft seinen ganzen Text zurückhält, ist selbst schuld.” Das ist insofern interessant als dass ja gerade (Ex-)Mitarbeiter von BILD, die ich interviewt habe, die Autorisierung genutzt haben, um viele, viele Antworten komplett zu streichen.

Zu guter Letzt der Vorwurf, dass der Text ja viel zu lang ist. Er ist tatsächlich sehr lang, und es stecken einige Arbeitsstunden darin. Aber ich habe dann auch von vielen Leuten gehört, dass sie ihn komplett gelesen haben, was mich dann doch darin bestärkt, bestimmte Sachverhalte auch in Zukunft ausführlich zu erörtern – auch mit dem Risiko dass der ein oder andere Leser vorzeitig aussteigt. Unser Ken Jebsen-Interview war etwa doppelt so lang. Aber auch das wurde viel gelesen und diskutiert.

Siehst du Anlass für Selbstkritik nach diesem Stück? Was würdest du anders machen?

Ich habe ja auch die Audio-Datei vom Interview online gestellt, in der Marks Antworten mit einem Piepton belegt sind. Kritik daran könnte ich auf jeden Fall nachvollziehen, denn das ist wirklich ein grausames Dokument. Ich wollte damit einmal veranschaulichen, dass ich es grausam finde, wenn Journalisten kritische Fragen verboten werden. Wir brauchen kritische Fragen. Nicht ausschließlich, aber auch. Kritische Fragen sind, und da zitiere ich jetzt tatsächlich Nikolaus Blome, “essentieller Bestandteil” unserer Demokratie.

Vielen Dank.

P.S.: Jakob Buhre hat inzwischen einen Blog-Beitrag nachgelegt, in dem er die Rückmeldung im Netz auf seine Veröffentlichung wiederum kommentiert – und dann auch wiederum kritische Kommentare erntet. 

Tim Farin ist Mitinitiator des Wissensportals “Alles über Interviews”.