Prominenten-Interviews führen: Alle auf die Reichen und Mächtigen

Interviews führen mit Promis

Wenn (zu) viele Journalisten mit einem Prominenten sprechen

Prominenten-Interviews führen: Wenn Journalisten Prominenten-Interviews führen, posieren sie gern und setzen auf ein Gehabe, das ihre Relevanz untermalen soll. Gerade bei Gesprächen mit Prominenten und Mächtigen fahren die Redaktionen vor allem personell einiges auf. Ob sie damit die besten Ergebnisse ergattern, ist zu bezweifeln.

Von Tim Farin*

Prominenten-Interviews führen - Tim Farin
Wenn viele Journalisten einen Interviewpartner befragen, steigt die Qualität nicht unbedingt. (Foto: george100/pixabay)

Wenn die Stars und die Mächtigen sprechen, dann wollen auch wir Journalisten gern dabei sein und uns im Glanz der Größen sonnen, ein bisschen profitieren von diesem Ruhm. Wenn am ganz großen Rad gedreht wird und es auf jedes Detail ankommt, fahren wir Heerscharen von Reportern auf, um hautnah am Geschehen zu sein. Und wir nehmen uns und die Prominenz mit unserem Getue und der Symbolik der Medien so ernst, dass die Leser darüber auch mal lachen müssen.

Vor ein paar Jahren gab der damalige FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler dem Kölner Stadt-Anzeiger ein Interview. Am Tisch saßen gleich drei hochrangige Redakteure, die dem Alphatier aus der Politik ein rhetorisches Bollwerk gegenüberstellten.

Sieben Fragen schafften es in die Zeitung, im Schnitt immerhin 2,3 Fragen pro Journalist.

Prominenten-Interviews führen: ineffiziente Vorgehensweise

Und dann erinnere ich mich an einen Fall vor einiger Zeit, als mich ein junger Mann auf einen Text in der Bild-Zeitung aufmerksam machte. Der Jubel war groß, die Bayern aus München hatten Manchester United bezwungen, und Münchens Nummer zehn, Arjen Robben, „der Held von München”, spricht in Bild“. Mit gleich vier Vertretern des größten Boulevardblatts, so dokumentiert es die Autorenzeile.

Das Resultat: Vier Fragen, vier Antworten. Knapp 2.000 Zeichen Text.

Wenn die Bayern so ineffizient spielten, würden die Kollegen von Bild sie dann immer noch bewundern?

Die Fragen des jungen Mannes, der mir den Text weitergeleitet hatte, lauteten:

  • Wie kann so ein Gespräch gelaufen sein?
  • Kann nicht ein Journalist allein mit Robben sprechen?
  • Was haben die anderen gemacht? Zugeschaut oder übersetzt?

Mehr Journalisten am Gesprächstisch oder in der Autorenzeile dokumentieren nicht unbedingt mehr Qualität. Sondern eher, dass das Medium viel Wert darauf legt, wichtig auszusehen. Für ein gutes Gespräch, das hat sich oft gezeigt, sind weniger Teilnehmer oft besser als viele Macher mit großem Ego. Und was diese anrichten können, lesen Sie im Alles-über-Interviews-Beitrag Interviewteams und ihre Schwächen.

* Tim Farin ist Mitinitiator des Wissensportals „Alles über Interviews“.