Interviews mit Sterbenden von Stefan Weiller. Podcast!

„Fragen habe ich nicht, wenn ich meine Gesprächspartner treffe.”

Am Anfang ging ein Lokaljournalist in Hospize, um mit sterbenden Menschen für eine Reportage zu sprechen. Heute ist Stefan Weiller ein erfolgreicher Autor und Theaterinitiator. Im Podcast erzählt er, wie Interviews mit Sterbenden und das Tabuthema Tod diese Entwicklung ermöglicht haben. (Der Player ist unter dem Foto.)

 

Interviews mit Sterbenden - Letzte Lieder
Stefan Weiller: Interviewt empathisch und mit offenem Ausgang (Foto: Frank Röth)

Von Mario Müller-Dofel*

Stefan Weiller gehört zu den ersten Interviewten für den Podcast von alles-ueber-interviews.de, den wir Mitte Oktober 2017 gestartet haben. Seine ersten Interviews mit Sterbenden führte Stefan Weiller im Jahr 2010. Sieben Jahre später sind rund 150 weitere hinzugekommen. Aus diesen Gesprächen mit Menschen im Alter von 20 bis 95 Jahren wurden bislang ein Buch („Letzte Lieder. Sterbende erzählen von der Musik ihres Lebens“) und 20 Theaterinszenierungen mit prominenten Schauspielern und Sängern wie Klaus Maria Herbst, Ina Müller und Claus-Peter Eberwein. Aufgeführt wurden sie bislang in zwölf Städten Deutschlands mit insgesamt ungefähr 22.000 Gästen. Erst kürzlich sahen 1800 Menschen das „Letzte Lieder-Musical“, wie Weiller es liebevoll nennt, in der Münchener Sankt Lukas Kirche.

Interviews mit Sterbenden: Mehr an den Gesprächspartner denken als an sich selbst

Im Podcast erzählt Stefan Weiller, wie er seine Gesprächspartner kennenlernt, warum sie ihm vertrauen, wie er sich für seine hochsensiblen Gespräche wappnet und wie er seine Rolle darin definiert. So sagt er: „Ich lasse mich voll auf meine Gesprächspartner ein.“ Doch bei ihm bedeutet „voll einlassen“ etwas ganz anderes als bei gewöhnlichen Journalisten. Denn er denkt weit mehr an seine Gesprächspartner und deren „Belastbarkeit“ als an sich und seine Interessen als Autor. Er nimmt deshalb nicht einmal Fragen mit in die Gespräche. Warum nicht? „Ich will meine Gesprächspartner mit meiner Weltsicht nicht einengen“, sagt er.

Oft ist das Banale nur auf den ersten Blick banal

Damit die Podcast-Hörer die Art, wie Stefan Weiller arbeitet, genau verstehen, nimmt er sie im Podcast mit: in die Hospize, in die Zimmer, in denen ihn die Gesprächspartner oder deren Angehörige erwarten. Weiller erzählt so konkret, gefühlvoll und anekdotisch, dass wir ihn bei seinen Treffen vor dem geistigen Auge haben. Und er sagt, was er bei guten personalisierten Interviews für besonders wichtig hält. „Findet etwas, das den Menschen wichtig ist“, empfiehlt er beispielsweise, „Auch wenn dieses Etwas auf den ersten Blick banal aussieht.“

Mitschreiben oder Mitschneiden würde die Stimmung völlig verändern

Weiller geht nicht nur ohne Fragen in seine Gespräche, sondern kommt auch ohne Aufzeichnungen wieder heraus. „Würde ich in den Gesprächen mitschreiben oder sie mitschneiden, würde dies die Stimmung völlig verändern“, ist er sich sicher. Das „Gedächtnisprotokoll“ funktioniert bei seiner Arbeit, weil er seine Interviews mit Sterbenden nicht im Frage-Antwort-Format aufschreibt, sondern als anonyme, kurze Texte.

Auch kurze Texte können eine Woche Konzentrationsarbeit brauchen

„Die Texte müssen auch im Theaterformat aufführbar sein“, sagt er. Meist sind sie nur zwei, drei Seiten kurz, selbst wenn die Gespräche zwei, drei Stunden lang waren. Dafür dauert die Verschriftlichung dieser „Cover-Versionen“, wie er seine Texte nennt, bis zu einer Woche. Und das ist weit mehr als für die Verschriftlichung der meisten herkömmlichen Interviews nötig ist.

So, das war’s, genug verraten. Viel mehr Interessantes erfahrt Ihr im Podcast.

* Mario Müller-Dofel ist Mitinitiator des Wissensportals “Alles über Interviews”.